Verhängnisvolle Wiedersehen (The Immaculate Breed) (German Edition)
Schuhwerk trug und nicht barfuß war, wie es bei ihr oft genug vorkam.
„Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte.“, verkündete sie leise, obwohl ihr Auftauchen den wenigsten entgangen sein dürfte. Sie zögerte kurz, als sie in das Gesicht eines jungen Mannes blickte, dessen linke Gesichtshälfte böse entstellt war.
„Dragomir?“, entschlüpfte ihr fragend, bevor sie darüber nachdenken konnte, ob sie ihn damit nicht erschrecken würde. Er sah sie tatsächlich argwöhnisch an, doch sie schob das auf ihren Aufzug, der sicher nicht dem Standard von ärztlichem Pflegepersonal entsprach, aber hier ging es um einen Notfall und sie wandte sich gleich an Cat und Nathan. Die anderen waren sicher keine Bedrohung, wenn Rys einigermaßen entspannt zwischen ihnen stand.
„Entschuldigen Sie bitte, ich bin Arzt, vielleicht kann ich helfen…?“
Ein junger schlaksig wirkender Mann mit dunkler Hornbrille hatte sich ihr in den Weg gestellt.
Nico blinzelte überrascht zu ihm auf und schüttelte dann den Kopf: „Warten Sie lieber, bis ich weiß, was ihr fehlt. Ich komme vorerst allein zurecht. Trotzdem Danke.“, wehrte sie seinen Vorschlag ab, da sie nicht sicher war, in wie weit die Anwesenden hier wussten, womit sie es zu tun hatten.
Nach Cats Aufzug zu urteilen, die nur einen Mantel und sonst nichts trug, war die Löwin anscheinend schon an der Oberfläche gewesen. Sie stellte sich neben den Tisch auf Kopfhöhe mit der darauf liegenden Patientin und beugte sich über sie.
„Cat? Ich bin es, Nico. Was ist los?“, fragte sie leise und legte ihr die Hand beruhigend auf die mit kleinen Schweißtropfen überzogene Stirn. Sie zitterte am ganzen Leib und die Kratzer auf dem Tisch zeugten von der Nähe des Tieres.
„Nico… Die Wunde… sie schließt nicht… Krämpfe… Ich kann bald nicht mehr.“, antwortete Cat angestrengt.
„Sht, versuch, dich zu entspannen. Ich werde dir etwas geben und dann nachsehen, was nicht stimmt. Es wird gleich besser.“, versprach Nico mit beruhigender Stimme.
Sie griff nach der Tasche und stellte sie auf dem Tisch ab, um daraus eine Spritze zu fischen, mit der sie ein Muskelentspannungsmittel aufzog, der die Verwandlung unterdrücken würde, ohne Cat ihres Bewusstseins zu berauben.
„Nathan, kannst du sie so lange festhalten, bis das Mittel wirkt?“, bat sie ihn, wobei sie sich wunderte, dass er noch sein Priestergewand trug. Das hier war bestimmt ein überraschender Einsatz gewesen. Überall lagen Kadaver und die Luft roch nach verbranntem Gefieder und mehr.
Nachdem sie die Spritze gesetzt hatte, schob sie den blutdurchtränkten Mantel zur Seite und entdeckte den Einstich in Cats Rippenbogen, der nicht richtig heilen wollte. Sie runzelte kurz die Stirn und sah sich dann fragend um.
„Hat jemand Licht? Hier ist es so dunkel, ich kann keine Einzelheiten erkennen.“
Sie sah zwar auch in der Dunkelheit recht gut, aber für chirurgische Eingriffe wollte sie lieber sicher gehen, dass ihre Augen sie nicht trogen.
Ein kahlköpfiger Riese baute sich auf der anderen Seite des Tisches auf und reichte ihr eine Lampe, nachdem er sie für sie gezündet hatte. Sie strahlte so hell wie eine kleine Sonne. Nico murmelte einen leisen Dank und leuchtete den Wundkanal damit aus.
„Da steckt noch etwas! Vielleicht die Spitze der Waffe? Sie muss mit einem Gift getränkt sein… Wer hat das getan?“, fragte sie mehr sich selbst, da es im Moment nur wichtig war, das Stück Metall herauszuholen. Sie gab die Lampe an Nathan weiter und holte die nötigen Utensilien aus dem Koffer. Viel war es nicht. Handschuhe, Skalpell und eine Wundauflage, um das Blut aufzufangen. Nähen wäre überflüssig, der Schnitt würde nicht lang sein und in der Tiefe würde es von allein heilen, wenn die vermeintliche Giftquelle entfernt worden war. Für Cat würde es nicht angenehm werden, aber immerhin würde sie die Umwandlung unterdrücken können, solange sie künstlich entspannt blieb.
Nico fischte ein kleines Teilchen aus der Wunde, das wie ein Metall-Dorn aussah. Wie eine altmodische Giftkapsel besaß er einen Aufklappmechanismus. Einfach aber effektiv. Nico führte Nathan das Teil vor, das auf ihrer flachen Hand lag, nachdem sie Cats Wunde abgeklebt hatte.
Nach einer kurzen Weile konnte Nathan Cat endlich aus seinem unnachgiebigen Griff freigeben. Die ganze Zeit über sagte er kein Wort. Nico würde alles richten. Dessen war sich Nathan ganz sicher, aber trotzdem war da eine leise Angst, Catalina zu verlieren.
Weitere Kostenlose Bücher