Verhängnisvolles Gold
schwanger?« In gespieltem Schrecken reißt er die Augen auf.
»Nein! Halt die Klappe. Du weißt, dass ich es nicht bin.« Ich boxe ihn gegen den Arm und führe ihn dann ins Treppenhaus. Die Tür hinter uns mache ich zu. »Jetzt mal im Ernst, Astley. Was ist passiert? Warum blutest du?«
Die lange Leuchtstoffröhre an der abgehängten Decke flackert. Sie sirrt leise, unhörbar für Menschenohren. Wenn der Hausmeister sie nicht repariert, wird sie bald den Geist aufgeben.
»Weißt du«, sagt er müde mit trauriger, gedehnter Stimme »es wird mir langsam zu viel, dauernd Mr. Perfect zu sein.«
Eine Ader an seiner Schläfe pulsiert so stark, dass ich es sehen kann. Er lehnt sich gegen die Wand.
»Und deshalb blutest du am Kopf?« Ich ziehe den Verbandsmull von seinem Gesicht weg, um die Wunde zu inspizieren. Er beachtet mich gar nicht. Zuckt nicht einmal zusammen.
»Weißt du, wie schwer es ist, König zu sein?«, fährt er fort. »Sich immer zu bemühen, gut – perfekt – zu sein? Hast du eine Ahnung, wie schwer es ist, dir bei der Suche nach diesem blöden Idioten von Werwolf zu helfen, während ich die ganze Zeit denke, dass du einfach mit mir zufrieden sein solltest, weil das so vorgesehen ist …«
»Astley, ich …›blöder Idiot‹ geht gar nicht …«
Mit einer Handbewegung bringt er mich zum Schweigen. Ich presse die Lippen zusammen. Was soll ich auch sagen? Was könnte ihn mehr verletzen, als er ohnehin schon verletzt ist? Mit der Schramme an seinem Kopf habe ich zwar nichts zu tun, aber er leidet innerlich wegen mir. Wegen mir ist er auch gemein zu Nick.
»Es tut mir leid«, flüstere ich.
»Sag das nicht.« Seine Stimme wird brüchig und in seinen Augen scheint Scham auf. Er kreuzt die Arme vor der Brust, senkt den Blick – Astley senkt sonst nie den Blick – und scharrt mit dem Fuß über den Boden. Die Lampe flackert wieder. Das Sirren, das ihr Ende ankündigt, wird ein paar Dezibel lauter.
Ich nehme sein Gesicht in meine Hände. Bartstoppeln streifen meine Handflächen. »Aber es tut mir leid. Es tut mir leid, dass du verletzt bist, und dass du denkst, du müsstest perfekt sein. Und es tut mir leid, dass ich auf dem Friedhof ausgeflippt bin … ich werde mich in Zukunft mehr anstrengen.«
Ich schließe die Augen.
»Ich weiß.« Er gibt einen gedämpften Laut von sich und ich mache die Augen wieder auf. Seine Augen leuchten blau und kalt wie ein Winterhimmel, wenn es nicht schneit. Sie scheinen unergründlich. »An dir zweifle ich nicht, Zara.«
Ich muss schlucken. »Willst du mir erzählen, was mit deinem Kopf passiert ist?«
»Ich hatte einen Kampf.«
»Mit wem?«
»Mit Amelie.«
»Amelie? Das ist lächerlich. Sie würde nie gegen dich kämpfen.«
»Doch. Sie hat es getan.«
»Warum?« Ich trete einen Schritt von ihm zurück.
Er packt mich am Handgelenk. Der Heizkörper geht an. Bald wird es klingeln.
»Ich möchte, dass du mit mir mitkommst«, sagt er, abrupt das Thema wechselnd.
»Wohin? Ich muss zurück ins Klassenzimmer, bevor es klingelt.« Wahrscheinlich habe ich noch drei Minuten.
»Island.«
»Island?« Meine Stimme klingt schrill, während ich versuche, ruhig zu bleiben. »Du willst nach Island? Im Winter? Während dieses ganzen Elfenwahnsinns? Das können wir nicht machen. Wir müssen die Menschen hier beschützen. Wir können uns nicht einfach auf und davon machen zu diesem verdammten Island.«
Er seufzt. »Du klingst wie Amelie. Nur dass sie nie ›verdammt‹ sagt.«
Seine Stimme hört sich so todunglücklich an, dass mein Zorn und meine Angst verfliegen. Seine Finger umklammern immer noch mein Handgelenk.
»Du meinst, dass dir niemand mehr vertraut? Ist es das?«, frage ich. »Dass du die Kontrolle verlierst?«
»Genau.« Er legt mir die Hand auf den Rücken und schiebt mich zu der Tür, die zum Flur zu meiner Klasse führt, weg von ihm.
Ich bleibe stehen und denke daran, wie sehr ich mit meinen ganzen Schularbeiten schon jetzt hinterherhinke, dass ich seit einer Ewigkeit kein AI -Treffen mehr abgehalten und wie oft ich das Hallentraining schon verpasst habe … aber dennoch drehe ich mich halb zu ihm, damit ich ihn anschauen kann, und sage: »Ich vertraue dir, Astley, und ich werde dich nach Island begleiten. Wann geht’s los?«
»Willst du nicht wissen, warum?«
Ich beiße mir auf die Lippen und warte. Ein winziger Hoffnungsfunke flammt in meinem Herzen auf, als er lächelt.
»Ich habe einen Hinweis.« Er hebt voller Begeisterung die Hand. »Vander
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