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Verhängnisvolles Gold

Verhängnisvolles Gold

Titel: Verhängnisvolles Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Jones
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Sie alle sind so unschuldig und haben keine Ahnung, dass sie hier neben Elfen sitzen. Sie wissen nicht, dass es auf der Welt anders zugehen könnte, wenn wir versagen. Und ich bin froh, dass sie es nicht wissen, denn manchmal ist es so viel sicherer, so viel einfacher, etwas nicht zu wissen.
    Die Frau legt ihre Zeitschrift beiseite. Ich beuge mich vor und frage: »Sind Sie durch? Haben Sie etwas dagegen, wenn ich die Zeitschrift im Flugzeug lese?«
    Eine Sekunde lang sieht sie erschrocken aus, aber dann sagt sie: »Natürlich nicht. Sie ist gut und vollkommen anspruchslos.«
    »Das ist genau, was ich brauche.« Ich nehme die Zeitschrift von dem Sitz weg. »Danke.«
    Astley und ich sitzen nebeneinander. Nachdem wir uns angeschnallt haben, will ich die Armlehne herunterklappen, aber er hindert mich daran: »Die enthalten viel Metall.«
    »Aber wir haben doch die Tabletten genommen.«
    »Es ist besser, sie oben zu lassen.« In seiner Stimme schwingt eine Entschuldigung mit. Es ist kein Befehl, sondern ein Vorschlag, und ich schiebe die Armlehne mit dem Ellbogen wieder hinauf zwischen die Sitze.
    »Besser?«
    »Viel besser.« Er lächelt und reicht mir ein kleine weißes Kissen und eine dunkelblaue Decke. »Danke«
    Immer mehr Menschen strömen herein. Ihr Handgepäck schieben sie vor sich her oder ziehen es. Eine Frau drückt ihr Baby dicht an ihren Körper. Ein Mann furzt. Astley schaut mich an und presst die Lippen aufeinander, um das Lachen zu unterdrücken. Ich halte mir mit der Hand Mund und Nase zu.
    »Ganz schön viele Menschen in so einem Flugzeug«, flüstere ich, »und viele Gerüche.«
    Ich berühre die Wand zu meiner Rechten. Sie ist aus Plastik und scheint einfarbig grau zu sein, aber tatsächlich sind winzig kleine wirbelnde Kreise darauf. Hätte ich die bemerkt, wenn ich noch Mensch gewesen wäre? Vielleicht ist ja alles so: Vielleicht erscheinen die Dinge flach und eintönig, aber wenn man genauer hinschaut, entdeckt man vieles, das einem vorher verborgen geblieben ist. Astley lehnt sich zurück und streckt die Beine unter dem Sitz vor sich aus. Seine Haare sind dunkelblond, aber wenn man genau hinsieht, entdeckt man vereinzelt rote Strähnen. Sie glänzen in der Sonne in allen Farben von kupferrot bis rotblond. Ich schaue weg und fahre mit dem Finger an dem Grat am Rand der ovalen Fenster entlang. Ein paar Flughafenarbeiter in orangefarbenen Westen und Overalls bringen mit Lastwagen das Essen und wuseln um das Flugzeug herum. Ich überlege, wie es wohl unter der Oberfläche in ihnen aussieht, was für ein Leben sie führen, ob sich auch bei ihnen wirbelnde Kreise entdecken lassen.
    Jetzt zeigt die Stewardess, wie man den Sicherheitsgurt schließt (ich kann nicht glauben, dass jemand das nicht weiß), wie wir aus unseren Sitzkissen Rettungswesten machen und erklärt den Gebrauch der Sauerstoffmasken, falls plötzlich der Druck in der Kabine abfallen sollte. Astley wird immer blasser, während sie spricht. Wir rollen die Startbahn hinunter, und er schluckt die ganze Zeit, weitaus häufiger als ein normaler Mensch.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ich hab Angst vorm Fliegen«, gibt er zu und rutscht in seinem Sitz hin und her. Wie ein zappeliges Kind schlägt er dauernd ein Bein über das andere.
    »Ähm, aber du fliegst doch dauernd.«
    »Ja, aber ohne Flugzeug.«
    »Ach so. Angst vor dem Fliegen in einem Flugzeug ist was ganz Normales. Heißt auch Aerophobie, Aviatophobie oder Aviophobie.«
    Er lacht. »Und was macht man, wenn man Aerophobie, Aviatophobie oder Aviophobie hat?«
    »Mach dich nicht über meine exzessiven Phobie-Kenntnisse lustig«, weise ich ihn zurecht und boxe ihn gegen den Arm. »Ich denke immer, dass es gut ist, die Angst zu benennen und sich ihr direkt zu stellen. Und du machst genau das. Ich meine, du sitzt in einem Flugzeug, du stellst dich deiner Angst.«
    Seine Lippen pressen sich aufeinander. Ich kann seine Anspannung buchstäblich sehen – als Wellen von orangefarbenen Wirbeln. Einen Moment später sagt er: »Aber davon fühle ich mich nicht besser.«
    »Gib mir die Hand«, sage ich, als wir immer schneller werden. Er fragt nicht, warum. Ich schiebe meine Finger zwischen seine, lege meine andere Hand darauf und drücke leicht zu. »Manchmal hilft es schon zu wissen, dass jemand da ist.«
    Die Nase des Flugzeugs weist in den Himmel und die Vorderräder verlassen den Boden.
    »Du hast recht«, sagt er mit tiefer und ernster Stimme. »Es hilft.«
    Erst als wir sicher die Reisehöhe

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