Verhängnisvolles Gold
und es bricht mir zugleich das Herz.
»Wisst ihr, was das war?«, fragt der Fahrer. Die Angst in seiner Stimme dringt trotz meines Schocks zu mir durch und ich schaue ihn richtig an. Seine Hosen sind vorn ganz nass.
»Fenrir«, antwortet Astley. Er steckt sein Handy zurück und lässt den Blick über den Nebel, die Wasserfälle und die Regenbogen wandern. »Aber was noch wichtiger ist: Es war eine Falle. Wir sollten getötet werden. Der König hat es gespürt. Er hat uns gerettet.«
Wir sind tief beunruhigt. Wer tut so etwas? Wurde Vander mit falschen Informationen versorgt? Das alles ergibt einfach keinen Sinn. Ich stöhne und lasse mich in den kalten Schnee fallen. Riesige Wolfsspuren verunstalten das reine Weiß.
Astley kommt zu mir. »Alles in Ordnung?«
»Nein«, sage ich mit heiserer Stimme. »Es geht mir nicht gut. Ich bin innerlich zerbrochen. Ich bin bis in mein tiefstes Inneres hinein zerbrochen, und ich weiß nicht … ich weiß nicht, ob ich jemals wieder nicht zerbrochen sein kann, gar nicht zu reden davon, dass es mir gut gehen könnte.«
Er schluckt so mühsam, dass ich es sehen kann, nimmt meine Hand und legt sie auf sein Herz. Es schlägt in stetigem Rhythmus immer weiter – trotz all dem, was passiert ist. Dann legt er meine Hand auf mein eigenes Herz. Es schlägt im selben Rhythmus, ein verräterisches Klopfen. Ein Schluchzer bricht aus meiner Brust, und Astley zieht mich dicht an sich, beruhigt mich, indem er unzusammenhängende Worte in meine Haare flüstert.
»Wer wird als Nächster sterben?«, flüstere ich schluchzend in seinen Anorak. »Wer?«
»Niemand mehr.« Er streicht in kleinen Kreisen über meinen Rücken. »Und ganz sicher nicht du.«
Ich schiebe ihn ein wenig von mir und schaue zu ihm hoch. »Oder du?«
Er zuckt zusammen.
Ich packe ihn an den Schultern: »Versprich es mir.«
Nach kurzem Zögern nickt er. »Ich verspreche es, aber es ist keine Schande, tapfer zu sterben, Zara. Es ist keine Schande, für das Gute zu sterben.«
»Aber es ist auch keine Schande, dafür zu leben«, verkünde ich.
Die Regenbogen entstehen und vergehen vor meinen Augen. Ihre Farben leuchten in dem grauen Nebel, heiter und hoffnungsvoll, trotz der Dunkelheit, trotz des donnernden Wassers, trotz des Todes … irgendwie immer noch heiter.
Es ist der absolute Wahnsinn. Echt. Die Hälfte der Leute fährt plötzlich nach Florida in die Ferien, aber eigentlich wollen sie nur weg von diesem Wahnsinnigen hier, der dauernd Leute umbringt. Und diese Geschichte mit dem Sumner-Bus? Total abgefahren. Ein Mädchen aus meinem Spanischkurs ist heute nach der Schule nicht nach Hause gekommen und jetzt suchen alle nach ihr. Ich flippe hier noch total aus.
– MYSTIC EMBRY BLOG
Die Nacht kommt schrecklich früh. Die langen Stunden der Dunkelheit und des Schmerzes sind mit der Welt draußen verschmolzen, nur die Scheinwerfer der Autos und die Lichter aus den Geschäften bringen eine gewisse Bestätigung dafür, dass die Welt kein kompletter Höllenkreis ist.
Nachdem Astley gegangen ist, duftet es in meinem Hotelzimmer nach Zitronen. Wenn er bei mir ist, rieche ich nur ihn. Stundenlang haben wir die Ereignisse immer wieder durchgesprochen, mit seinem Handy Amelie angerufen (die es sich verkniff zu sagen: »Ich hab’s dir gleich gesagt.«) und Betty (die es sich nicht verkniff) und Issie, Devyn und Cassidy (die überwiegend stöhnend aufschrien). Wir versuchten herauszufinden, warum jemand gerade uns angreift. Geht es nur um die Kontrolle von Bedford und Umgebung? Oder geht es um weitergehende Machtfragen? Ist Vander mit von der Partie oder wurde er benutzt? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass es eine Falle war, dass wir getötet werden sollten. Laut Devyn ist Fenrir ein Vorbote des großen Krieges. Die Götter hatten ihn ursprünglich an die Kette gelegt, aber jetzt ist er frei.
Alle sind überrascht vom Verhalten meines Vaters, nur Astley nicht, der offenbar mehr Vertrauen zu Menschen/Elfen und das Gute hat als wir. Obwohl Nick ja immer meinte, ich sei die Verrückte, die immer an das Beste in Menschen und Elfen glaubt. Vielleicht hätte ich es meinem Vater höher anrechnen sollen, dass er sich bemüht. Vielleicht habe ich ihm nie hoch genug angerechnet, dass er sich so lange so heftig bemüht hat, dass er sich, soweit es ihm möglich war, von meiner Mutter ferngehalten hat. Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass er für mich gestorben ist.
Der Schmerz in meinem Herzen ist zu groß, deshalb stelle ich
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