Verhängnisvolles Gold
»Ich wusste, dass nichts Gutes dabei herauskommen würde.«
»Er ist gestorben, Gram«, murmle ich in ihre Schulter. Sie riecht nach Holzrauch und Fell und Spaghettisoße.
»Hätte ich ihm gar nicht zugetraut«, räumt sie missmutig ein.
Das trifft mich, und sie weiß es, denn sie umarmt mich noch fester.
»Wenigstens kann deine Mom endlich ruhig schlafen.« Sie klopft mir ein paar Mal ungeschickt und geradezu aggressiv auf den Rücken wie ein Footballtrainer und schickt mich dann zum Duschen. Sie wolle derweil Zimttoast zubereiten. Aber oben in meinem Zimmer falle ich ins Bett, und der Schlaf übermannt mich, noch bevor ich die Schuhe ausziehen kann.
Am nächsten Tag fahre ich mit Nicks MINI in die Stadt. Während der Fahrt denke ich über Vanders Verrat nach. Astley weiß nicht, warum Vander einem anderen König verpflichtet ist oder wie es dazu kommen konnte. Er hatte ein Ziel, und Astley muss herausfinden, welches. Ich muss Nick finden und wir beide müssen für Sicherheit in der Stadt sorgen. Es gibt so viel zu tun, dass ich vollkommen überwältigt bin.
Ich parke in der Main Street, steige aus und ziehe witternd die Luft ein: Elfen scheinen nicht in der Nähe zu sein. Bis auf die Bank, die mit einem riesenhaften vierten Stockwerk aus der Reihe tanzt, sind alle Gebäude dreistöckig. Laut Betty ist die ganze Innenstadt, die eigentlich nur aus zwei vierhundert Meter langen Straßen besteht, direkt vor dem Zweiten Weltkrieg komplett abgebrannt. Ein verrückter Feuerwehrmann hatte aus Langeweile Feuer gelegt. Alles wurde wieder aufgebaut und sieht auch gut aus, aber es fehlt eben die altmodische Kolonialatmosphäre, die die meisten Städte in Neuengland prägt.
Auf dem Bürgersteig liegt eine dünne Schneeschicht und einzelne Stellen sind vereist. Das städtische Räumkommando kommt kaum hinterher. Vor dem Reformhaus schippt ein Mann seufzend Schnee. Die metallene Schneeschippe kratzt über den Beton und macht einen Höllenlärm.
»Hallo!«,sagt er.
Ich lächle ihn an. Mit seinen rosigen Wangen erinnert er mich an den Weihnachtsmann. »Hi. Brauchen Sie Hilfe?«
»Hab ich. Danke.«
Ich eile am Finn’s vorbei, dem irischen Pub, das Bettys Sanitäterfreunde so lieben, und nehme mit großen Schritten die Stufen zum Maine Grind, das früher eine Freimaurerloge beherbergte. Die Freimaurer sind eine Geheimgesellschaft, die schon seit Jahrhunderten besteht, inzwischen aber Mitglieder verliert, wahrscheinlich, weil nur Männer der Gesellschaft angehören dürfen. Sie haben das Gebäude verkauft und versammeln sich jetzt im Souterrain des YMCA . Das Maine Grind ist schnuckelig und so trendy wie man in Bedford, Maine eben sein kann. Es gibt große solide Holztische mit orange und lila gestrichenen Beinen und überall stehen gemütliche Sofas. Normalerweise läuft moderne Folkmusik, aber das soll nicht negativ gemeint sein. Sie schenken sogar Chai aus. Für Bedford ist das gigantisch.
Ich bestelle einen Chai und steure auf das große braune Ledersofa zu, auf das Devyn und Issie sich schon verkrochen haben. Es verschluckt einen geradezu, wenn man sich draufsetzt. Is nippt an heißer Schokolade, Devyn trinkt Wasser – keine Ahnung, warum. Heute ist ein perfekter Tag für kalorienreiche, warme Getränke mit viel Zucker, aber Devyn ist auf einmal voll auf diesem »Mein-Körper-ist-mein-Tempel«-Trip und isst nur Vollwertkost und keinen raffinierten Zucker.
»Cassidy ist auf dem Klo und kratzt sich«, sagt Issie, als ich es mir auf dem Sofa bequem mache. »Ihr Pullover treibt sie in den Wahnsinn. Die Leute haben schon geschaut. Ich war irgendwie traurig. Ich dachte immer, ein Feenwesen zu sein wäre cool, aber wenn alle synthetischen Stoffe einen Juckreiz auslösen, ist der Geilheitsfaktor sozusagen dahin. Oh mein Gott. Was babble ich da vor mich hin. Ich bin so froh, dass du wieder da bist.«
»Schade, dass sie nicht einfach nackt rumlaufen kann«, meint Devyn und nimmt einen großen Schluck Wasser.
Issie knufft ihn heftig mit dem Ellbogen in den Magen und er stöhnt auf. Ein bisschen Wasser spritzt aus seinem Mund.
»Ich meinte, schade für sie, weil die Klamotten sie in den Wahnsinn treiben.« Er reibt sich den Bauch und greift nach einer Serviette, um das Wasser von seinen Jeans zu wischen.
»Du meintest, zu schade für den angenehmen Anblick, den sie dem männlichen Teil der Bevölkerung bieten würde«, beharrt Issie. Ihre Stimme klingt halb verärgert, halb stichelnd, und es ist schwer zu sagen, ob sie
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