Verhängnisvolles Gold
schon tot, wenn sie nicht gerade eine Eisentablette genommen hätte. Du bist sicher, dass sie sie genommen hat, ja?«
»Ja!«, antwortet Issie. Ihre Stimme verhallt. Issie …
Astleys blutige Hand ruht auf meiner Stirn. »Kämpfe, Zara. Kämpfe für uns.«
Und ich kämpfe. Ich kämpfe wirklich.
Als ich meine Augen das nächste Mal öffne, trägt Astley mich gerade unter den hellen Leuchtstofflampen in der Notaufnahme hindurch. Die Welt ist so weiß und so kalt und die Lichter sind so schrecklich hell. Metallene Schiebetüren öffnen sich. Pfleger eilen mit einer Trage herbei.
»Wie lange?«, fragt jemand.
Die Trage fühlt sich an meinem Rücken kalt und hart an. Ich strecke die Hand aus nach Issie oder Astley oder irgendjemandem. Astley nimmt sie, während er den Pfleger anblafft: »Zwanzig Minuten.«
Die Welt löst sich wieder in Weiß auf, bevor ich ihn bitten kann, mich nicht zu verlassen. Alle verlassen mich immer, und ich möchte wirklich nicht allein sein, schon gar nicht, wenn ich sterben soll. Ich möchte nicht alleine sterben.
Ich wache wieder auf, aber nur für einen Augenblick. Bettys dominierender Duft ist ganz nah.
»Grammy …« Ich bemühe mich, ihren Namen zu sagen, aber ich kriege die Augen kaum auf.
Ihr Duft kommt näher. Ihre Stimme ist wie ein fernes Echo in meinem Ohr: »Sie stabilisieren dich. Halt durch, hörst du? Halt durch, denn wenn du wieder aufwachst, bringe ich dich eigenhändig um.«
Als ich wieder länger als zwei Sekunden halbwegs zu Bewusstsein komme und der gewaltige Schmerz nicht mehr durch meinen Körper jagt, gehe ich durch, was passiert ist: Schuss … Gefiedel … Apple … Astley … Krankenhaus. Aber nicht in dieser Reihenfolge. Ich korrigiere mich, und als ich die Augen wieder öffne, bin ich auf der Intensivstation. Der Raum ist größer als die üblichen Krankenhauszimmer. An meinen Armen sind allerlei Schläuche und Dinge befestigt, und neben mir stehen blinkende, piepsende Monitore. Jemand ist bei mir. Ich bewege den Mund, aber es kommen keine Worte heraus.
»Du bist wach.« Astleys Gesicht schwebt über mir. Auf seiner Wange und in seinen blonden Haaren klebt immer noch mein Blut. Er küsst mich mit weichen, kühlen Lippen auf die Stirn. »Mach dir keine Sorgen. Dein Zustand ist stabil. Deine Großmutter zofft sich mit den Ärzten. Sie sagen, dass auf der Intensivstation nur immer zwei Besucher zugleich erlaubt sind. Sie wollen dich nach Bangor verlegen, weil dein Blutdruck so niedrig ist und einige Werte abweichen.«
»Ich …« Es fällt mir so schwer, mich aufzurichten, und Astley drückt mich sanft wieder zurück. Sein Arm legt sich um meine Schulter, sodass mein Kopf in seiner Hand ruht.
»Ich dachte … ich …« Ich weiß nicht, warum ich ihm nicht gesagt habe, wohin wir gehen. Und ich weiß eigentlich auch nicht, warum ich Betty nichts gesagt habe. Wahrscheinlich dachte ich, ich würde es ohne sie schaffen. Wahrscheinlich hatte ich Angst, dass sie mich daran hindern würden. »Es tut mir leid.«
»Entschuldigungen sind nicht notwendig«, sagt er. »Aber lass mich dir helfen. Du musst mich dir helfen lassen, Zara. Wir stehen auf derselben Seite.«
Ich will antworten, aber ich bleibe nicht wach.
Als ich das nächste Mal die Augen öffne, beugt Devyn sich in mein Gesichtsfeld. Seine Nasenspitze ist ganz rot. Seine Augen sind müde und die Pupillen zu groß. »Hallo«, sagt er.
Ich öffne noch einmal den Mund, um nach Betty zu fragen, aber es kommen immer noch keine Wörter heraus.
»Betty?« rät Devyn. »Alles okay. Sie ist nicht wütend. Sie ist zwar nicht glücklich darüber, was passiert ist, oder dass der Elfe hier ist, aber sie ist nicht sauer auf dich.«
»Und du?«
»Warum sollte ich?« Er schüttelt den Kopf. Seine Hände sind zu Fäusten geballt. »Ich bin nur sauer, weil ich nicht da war.«
»Issie?«
Er runzelt die Stirn. »Sagen wir so: Sie hat Hausarrest bis sie ungefähr fünfzig ist. Außerdem will ihre Mutter, dass sie mit Klebeband Messer an ihrem Körper befestigt.«
Ich stöhne und räuspere mich. Meine Stimme ist so schwach, dass ich nur flüstern kann: »Wir dürfen nicht aufgeben.«
Die Welt kippt wieder weg, als eine Schwester hereinkommt, aber bevor sie Devyn wegscheucht, flüstert er mir ins Ohr: »Das werden wir auch nicht, Zara. Er ist auch mein bester Freund.«
Die Polizei meldete einen Vorfall in einer Bar. Einzelheiten wurden nicht bekannt. Offenbar wurde eine ortsansässige Jugendliche angeschossen und
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