Verhängnisvolles Gold

gewaltigen Augenbrauen bis zum Haaransatz hinauf. Dann packt er meine Hand und drückt sie: »Elf?«
    Ich nicke. Zu meiner Linken direkt neben dem Eingangsbereich bemerke ich ein paar grasende Schafe. Sie bilden einen perfekten Kreis und sind vollkommen sauber. Eigentlich sehen sie alle viel zu perfekt aus. Mein Herz setzt einen Schlag lang aus.
    »Königin?«, fragt er.
    »Erst seit Kurzem«, erkläre ich. Hoffentlich sehe ich nicht so verunsichert aus, wie ich mich fühle.
    Diesmal lächelt er richtig: »Das höre ich an deinem Herzschlag und rieche es in deinem Atem. Deine Unerfahrenheit ist offensichtlich, Zara White, Elfenkönigin.«
    Er lässt meine Hand los. Ich unterdrücke den Drang, meine Finger zu reiben, bis ich sie wieder spüre, und lasse die Landschaft auf mich wirken. Jenseits des Gebäudes bedecken Wälder die sanft ansteigenden Hügel. Die Bäume sind riesige Weihnachtsbäume, an deren Zweigen Kiefernzapfen von der Größe meines Kopfes hängen. Vogelgezwitscher erfüllt die Luft. Die Wiese, auf der ich stehe, erstreckt sich in sanften Wellen vor mir wie ein Bilderbuch-Golfplatz. Gigantische Hortensien blühen an den Grundmauern des Gebäudes und riesige Blumen recken sich gen Himmel. Es ist wunderschön und magisch zugleich.
    »Woher wisst ihr meinen Nachnamen?« Ich betrachte ihn genauer. Er ist riesengroß und strahlt einfach nur Kraft aus, viel mehr Kraft als Astley und Nick jemals ausgestrahlt haben. Seine Muskeln sind schon fast so prall, dass man an einen Comic denken muss, oder an einen Profi-Ringer.
    »Ich bin Heimdall. Der Wind hat mir deinen Namen zugetragen. Ich kann über hundert Meilen weit hören«, sagt er ganz sachlich und gar nicht prahlerisch. Er steht sehr breiteinig da und verlagert sein Gewicht. Dann zieht er sein riesiges Schwert aus der Scheide, das in der Luft glitzert. Niemals zuvor habe ich so ein Schwert gesehen. Es wölbt sich, und hat fast eine dreifache Klinge, denn wo die zwei gewölbten Ränder zusammenstoßen, bildet sich auch noch einmal eine Klinge. »Dies ist mein Schwert. Sein Name ist ›Haupt‹.«
    Ich sage nichts, spüre aber, dass ich zittere. Beim Zurückweichen pralle ich gegen einen Pfau, der zornig aufschreit.
    »Sag mir, Zara White, neue Elfenkönigin und ehemaliger Mensch, warum bist du in unser Reich gekommen?« Seine Stimme hallt wider und sogar meine Haut spürt die Kraft hinter jeder einzelnen Silbe.
    »Ich habe eine dringende Mission«, sage ich und schlage mir gleichzeitig die Hand vor den Kopf. Dringende Mission? Ich klinge wie eine Figur in einem Girlpower-Spielfilm im Kinderkanal.
    »Dringende Mission?«, fragt er, ohne eine Spur von Spott oder Sarkasmus. Er hebt sein Schwert und erinnert noch mehr an einen Wikinger, wachsam und voller Stolz.
    Ich verschränke meine Finger ineinander und versuche, möglichst lammfromm und wenig bedrohlich auszusehen. Dann erzähle ich es ihm. Ich weiß auch nicht, warum. Ich erzähl es ihm einfach:
    »Sozusagen. Diese Walküre, Thruth, hat meinen Freund mitgenommen und ich möchte ihn zurückhaben. Als ich meine Freunde verlassen habe, waren sie gerade in einen Kampf verstrickt, deshalb will ich mich beeilen. Nichts für ungut. Ich meine, ich rede gern mit euch und …«
    »Eine echte Suche nach der großen Liebe?« Er dreht den Kopf zur Seite und lächelt zur Sonne hinauf.
    »Ich denke, ja, ich denke … Es hört sich schmalzig an, wenn Ihr das so sagt, aber wir alle lieben ihn über alles und wir brauchen ihn zu Hause. Er ist unser Krieger, ehrlich. Er passt auf uns auf.«
    Unter einem Busch raschelt es und ein Hase hoppelt am Rand der Wiese direkt am Gebäude entlang. Sein grauer Schwanz hüpft auf und ab.
    Heimdall schaut mir prüfend ins Gesicht und lehnt sich dann gegen das Gebäude. Bei der geringsten Bewegung kräuseln sich seine Muskeln wie Wellen. Er senkt den Arm mit dem Schwert und lehnt das Schwert gegen die Baumrinde. »Es gibt auch andere Kämpfer, oder?«
    »Ja, aber …« In meiner Brust verhakt sich etwas. »Er ist Nick.«
    »Und es gibt nur einen Nick?«, fragt er freundlich.
    Ich zeige meine Zustimmung durch heftiges Nicken, denn meiner Stimme kann ich nicht trauen.
    »Gelobst du, dass du nicht ein Günstling der Frostriesen oder ihresgleichen bist, dass du Asgard nicht betreten willst, um Odin oder den anderen Göttern Schaden zuzufügen?« Seine Stimme dröhnt. Hoch ragt er über mir auf, und seine Schultern sind mindestens drei Mal so breit wie meine. Er beugt sich herunter, sodass