Verhängnisvolles Spiel
von einem riesigen Schatten.
Jetzt erkannte er, dass Audrey schwer atmend auf ihn zurannte. “Er hat ein Messer”, flüsterte sie gehetzt. “Er will mich umbringen.”
Bevor Dom etwas entgegnen konnte, stürzte der große Mann an ihm vorbei, doch gerade, als er die Beretta anlegte, verschwand dieser durch die offene Tür.
“War er allein?”, fragte Dom.
“Ja, soweit ich weiß.”
“Du bleibst hier.”
“Geh nicht”, rief sie, als er zur Tür laufen wollte.
Dom zögerte einen Augenblick, doch als er sah, wie der Mann im Fahrstuhl verschwand, drehte er sich um.
“Ich rufe den Sicherheitsdienst des Hotels.” Er knipste das Licht an. “Die sollten ihn schnappen können, wenn er aus dem Aufzug kommt. Falls er nicht vorher aussteigt und die Treppe nimmt.”
“Bitte nicht den Sicherheitsdienst.” Audrey packte sein Handgelenk. “Bitte ruf niemanden an.”
“Wieso nicht?”
“Ich bin nicht verletzt. Und ich glaube, es wurde nichts geklaut. Selbst wenn, ich möchte einfach nicht, dass die Sache an die Öffentlichkeit kommt. Die Hoteldirektion würde die Polizei verständigen. Dann bekommen die Zeitungen Wind davon, und Audrey Bedell Perkins ist morgen auf allen Titelseiten. Die Presse würde mich jagen.”
Dom hasste die Vorstellung, einen Kriminellen einfach so davonkommen zu lassen. Das ging gegen all seine Überzeugungen, gegen alles, was er als SEAL bekämpft hatte, gegen alles, wofür er als Agent bei
Dundee
stand.
“Bitte, Dom.”
Er legte den Telefonhörer wieder auf. “Was ist hier eigentlich los? Du hast doch gesagt, dass er dich umbringen wollte. Warum willst du, dass dieser Mann auf freiem Fuß bleibt?”
“Vielleicht habe ich ein wenig überreagiert.” Ihre Stimme bebte etwas. “Ich bin nicht sicher. Er hat mich von hinten gepackt, und er hatte ein Messer, das er mir an den Hals gehalten hat.”
“Wie hast du dich befreit?”
“Einfache Überlebenstechnik. Ich habe ihn in die Hand gebissen, mit der er meinen Mund zuhalten wollte, und ihm dann den Ellbogen in den Magen gerammt. Zum Glück habe ich den richtigen Punkt getroffen.”
Sie erschien ihm mit einem Mal in einem ganz neuen Licht. Diese verhätschelte Erbin hatte sich selbst verteidigt. Sie hatte einen Angreifer abgewehrt, wie es eine lebenserfahrene, gewiefte Frau getan hätte. “Wo hast du das gelernt?”
Sie atmete tief durch. “Hör mal, es gibt da ein paar Dinge, die ich dir nicht erzählen kann. Noch nicht. Nicht bevor ich mit … meinem Vater gesprochen habe. Ich muss zurück nach Chattanooga.”
Dom betrachtete sie skeptisch. “Ich kann dich sofort nach Hause bringen. Mir steht ein Flugzeug zur Verfügung.” Er hob ein Bein, schob die Hose nach oben und steckte die Beretta zurück ins Halfter.
Sie starrte ihn verwirrt an.
“Ich denke, wir sollten uns reinen Wein einschenken”, sagte er. “Ich fange an, dann kommst du.”
“Wie bitte?” Sein Vorschlag schien sie noch mehr zu verwirren. “Ich verstehe nicht.”
“Mein Name ist Domingo Shea, und ich bin aus beruflichen Gründen hier in Palm Beach. Ich arbeite für die
Dundee Private Security and Investigation Agency
in Atlanta. Edward Bedell hat mich engagiert, um seine vermisste Tochter ausfindig zu machen. Ich bin also nach Palm Beach gekommen, um dich zu finden.”
“Oh.”
Er konnte den enttäuschen Ausdruck in ihren Augen kaum ertragen. “Aber was zwischen uns geschehen ist, hat nichts damit zu tun, dass …”
“Du hattest also einen speziellen Grund, so nett zu mir zu sein.”
Dom umfasste ihre Schultern. “Ich bin gekommen, um einen Auftrag zu erledigen, und habe eine kaltschnäuzige, verwöhnte Zicke erwartet. Aber du wirkst überhaupt nicht so. Ich war nett zu dir, weil ich dich mag. Ich mag dich etwas mehr, als ich sollte. Ich habe mit deinem Vater gesprochen und ihm gesagt, dass es dir gut geht. Er bat mich, dir auszurichten, dass du ihn anrufen sollst. Auftrag erledigt.”
“Und das war es für dich? Nur ein Auftrag?”
“Nein, verdammt noch mal.” Er nahm die Hände von ihren Schultern. “Das versuche ich dir doch gerade zu erklären. Plötzlich sind Gefühle ins Spiel gekommen, was eigentlich nicht passieren darf. In diesem Moment entkommt ein potenzieller Mörder, weil ich hier mit dir sitze, statt den Sicherheitsdienst zu informieren. Aber sobald du mir erklärt hast, was genau los ist, warum dich jemand umbringen will und du ihn einfach so entwischen lässt, rufe ich die Polizei.”
“Nein!”
“Warum zum
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