Verhängnisvolles Spiel
Lausanne erfuhr, dass ein Mann wie Dom unendlich viel Liebe in sich trug. Zum Glück, denn eineinhalb Jahre nach Rafe wurde ein schwarzäugiger, rothaariger Ronan Shea geboren.
“Mama”, rief May aus der Küche. “Die Zeitschaltuhr hat geklingelt. Ich glaube, der Truthahn ist fertig.”
“Wo ist Tante Pilar?”
“Sie ist mit Onkel Hart zum Auto gegangen, um noch ein paar Sachen zu holen”, antwortete May.
Lausanne, die gerade Blumen auf den großen Esstisch stellte, scheuchte den kleinen Ronan und seinen Freund Sparkles, einen Golden Retriever, unter dem Tisch hervor. “Schau mal nach, was Daddy und Rafe im Wohnzimmer treiben.”
“Will nicht!”, rief Ronan störrisch.
Bevor Lausanne noch etwas hinzufügen konnte, nahm Brandon Shea seinen jüngsten Enkel in die Arme, hob ihn hoch in die Luft und lief mit ihm aus dem Wohnzimmer. Ronan kicherte begeistert.
In der Küchentür blieb Lausanne einen Moment stehen und betrachtete ihre Tochter. Aus May war ein auffallend hübsches Mädchen geworden, weshalb Dom in schöner Regelmäßigkeit verkündete, dass er sie hinter Schloss und Riegel halten wolle, bis sie mindestens dreißig war. Ihr treuer Gefährte, der Blindenhund Arlo, hob den Kopf und starrte Lausanne an.
Doms Schwester Pilar riss mit einem riesigen Karton auf dem Arm die Hintertür auf. Ihr Mann war ebenfalls schwer bepackt. “Das sind die letzten. Drei Schinken, drei Pasteten, Süßkartoffelauflauf und Kuchen.” Pilar ließ den Karton auf den Küchentisch plumpsen.
“Wo sind Maureen und Jonas?”, fragte May.
“Jonas kommt später mit seiner Freundin. Ich kann nicht fassen, dass mein Sohn schon alt genug für eine Freundin ist”, sagte Pilar.
“Der Junge ist immerhin achtzehn”, bemerkte Hart. “Er hatte schon ein paar Freundinnen.”
Pilar seufzte. “Maureen ist im Stall, um Sunny Girls neues Fohlen anzuschauen. May, ich soll dir ausrichten, dass du auch kommen sollst. Ihr könntet vor dem Abendessen zusammen ausreiten.”
“Darf ich, Mama?”, fragte May.
“Natürlich.” Aber bitte sei vorsichtig, dachte Lausanne. Es hatte lange gedauert, bis sie aufgehört hatte, sich ständig Sorgen um ihre Tochter zu machen.
“Du darfst sie nicht mit deiner Fürsorge ersticken”, hatte Dom gesagt, als May das erste Mal allein auf einem Pferd saß. “Gib ihr die Chance, die Flügel auszubreiten und fliegen zu lernen.” Und genau das hatte sie getan. Jetzt, mit sechzehn, war May eine hervorragende Reiterin, eine viel bessere als Lausanne selbst.
“Wenn ihr mich nicht braucht, dann gehe ich mal zu den Jungs ins Wohnzimmer.” Ohne auf eine Antwort zu warten, machte Hart sich davon.
“Irgendwas von Marta gehört?”, fragte Lausanne ihre Schwägerin, während sie so tat, als würde sie May nicht dabei beobachten, wie sie ihre Jacke überzog und zur Hintertür lief.
“Sie hat gestern Abend angerufen. Sie kann erst zu Weihnachten kommen”, sagte Pilar. “Aber Bianca kommt mit ihrem neuen Freund.”
Spät am Abend, als die Kinder im Bett lagen, zogen Lausanne und Dom ihre Jacken über und gingen auf die große Veranda. Hoch oben im klaren Nachthimmel funkelten die Sterne. Lausanne liebte diese Ranch, sie liebte Doms Familie und alles, was sie sich zusammen aufgebaut hatten.
Dom nahm sie in die Arme. “Glücklich, Mrs. Shea?”
“Unglaublich glücklich, Mr. Shea. Und du?”
“Honey, wenn ich noch ein wenig glücklicher wäre, würde ich platzen.”
“Ich habe nachgedacht …”
“Oje.”
Sie boxte ihn in die Rippen.
“Wie ich bereits sagte, bevor du mich so unhöflich unterbrochen hast, ich habe nachgedacht. Nämlich über die Tatsache, dass ich fast fünfunddreißig bin. Wenn wir noch mehr Kinder haben wollen, sollten wir lieber früher als später damit anfangen.”
Dom nahm ihr Gesicht in beide Hände. “Bist du schwanger?”
“Der Teststreifen hat sich blau gefärbt.”
Dom stieß einen Jubelschrei aus, den sie hastig unter ihrer Hand erstickte. “Psst, du weckst die Jungs auf, und ich …”
Er zog ihre Hand weg und küsste sie, bis sie keine Luft mehr bekam. Sie legte den Kopf an seine Brust. Die Vergangenheit war nichts mehr als eine vage, verschwommene Erinnerung an Einsamkeit und Schmerz. Jede einzelne Minute war sie dankbar für all das Schöne in ihrem Leben, das sie nur einem Menschen zu verdanken hatte. Dem Mann, den sie von ganzem Herzen liebte.
– ENDE –
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