Verhängnisvolles Spiel
Nichte, die beiden Kinder seiner älteren Schwester Pilar. Er hatte sie und überhaupt seine ganze Familie in Texas seit über fünf Monaten nicht mehr gesehen. Aber bald war Thanksgiving, dann wollte er nach Hause fahren. Und an Weihnachten auch. Er hatte bereits seinen Urlaub eingereicht. Die Familie bedeutete Dom alles. Eines Tages wollte er selbst Frau und Kinder haben.
“Na, wären Sie gern noch mal in dem Alter?”, hörte er eine Männerstimme fragen.
Aus seinen Gedanken gerissen, sah Dom auf. Lieutenant Desmond stand mit einer Cola und einer Tüte Pommes frites in den Händen vor ihm.
“Ich habe Sie gar nicht hereinkommen sehen.” Er deutete auf die gegenüberliegende Bank. “Setzen Sie sich. Und es stimmt, nichts ist schöner, als ein Kind zu sein, oder?”
Desmond stellte Cola und Pommes frites auf den Tisch, dann rutschte er auf die Bank. “Oh ja, solange man eine glückliche Kindheit hat.”
Dom nickte, hatte aber wenig Lust, ein persönliches Gespräch zu führen. “Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind. Ich habe gerade eben Lausanne Raney zu Hause abgesetzt und …”
Doms Handy klingelte. Aufstöhnend zerrte er es von seinem Gürtel und klappte es auf. Die
Dundee Agency
. “Dom Shea hier.”
“Hi, Dom. Ich dachte, ich verrate Ihnen am besten gleich die Neuigkeiten über Lausanne Inez Raney”, meldete sich Daisy Holbrook.
Desmond warf Dom einen Blick zu, der umgehend fragte, ob er ihn kurz allein lassen solle.
Dom schüttelte den Kopf, dann sagte er zu Daisy: “Schießen Sie los. Was haben Sie herausgefunden?”
“Nichts Schönes”, sagte Daisy.
Doms Magen zog sich zusammen. “Aus irgendeinem Grund wusste ich, dass Sie das sagen würden.”
“Die Lady ist im August achtundzwanzig Jahre alt geworden. Geboren und aufgewachsen in Booneville, Mississippi. Mit sechzehn von zu Hause weggelaufen, schwanger mit siebzehn, das Kind hat sie zur Adoption freigegeben. Zwischen dem achtzehnten und zwanzigsten Lebensjahr passierte nicht viel. Mit zweiundzwanzig wurde sie wegen Mittäterschaft bei einem bewaffneten Raubüberfall festgenommen.”
“Scheiße”, stieß Dom leise hervor.
Desmond betrachtete ihn neugierig.
“Weiter”, murmelte Dom.
“Sie hat die letzten fünf Jahre im
Tennessee Prison for Women
in Nashville gesessen. Hat ihren Schulabschluss nachgeholt und an den berufsbildenden Maßnahmen im Gefängnis teilgenommen. Sie war eine vorbildliche Strafgefangene. Ganz reine Weste.”
“Sonst noch was?”
“
Bedell, Inc
. stellt regelmäßig rehabilitierte Exhäftlinge ein”, sagte Daisy. “Lausanne hat bei ihrer Bewerbung nicht gelogen. Das brauchte sie nicht.”
“Und was ist mit Bobby Jack Cash?”
“Er ist ebenfalls ein Exsträfling. Saß ein paar Jahre hinter Gittern, weil er alte Damen um ihr Vermögen gebracht hat. Dazu kamen noch ein paar kleinere Delikte wie Scheckbetrug. Und er wurde einmal wegen Totschlags angeklagt, aber freigesprochen. Offenbar hat er einen Typ bei einer Schlägerei getötet.”
“Netter Kerl. Bei
Bedell, Inc
. hat er als Wachmann gearbeitet. Da wurde er offenbar als komplett rehabilitiert betrachtet?”
Daisy kicherte. “Ich schätze, das spielte keine Rolle. Offenbar hat Mrs. Bedell ihn empfohlen.”
“Patrice Bedell?”
“Richtig.”
“Interessant. Versuchen Sie doch herauszufinden, warum sie ihn empfohlen hat. Graben Sie so tief wie nötig, damit wir erfahren, ob zwischen den beiden was gelaufen ist.”
“Na klar.”
“Bis dann.” Dom klappte sein Mobiltelefon zu und klemmte es wieder an seinen Gürtel.
“Ich vermute, Sie haben Neuigkeiten über Lausanne Raney”, sagte Desmond.
Dom nickte. “Sie wussten, dass sie vorbestraft ist, dass sie fünf Jahre im Gefängnis gesessen hat.”
“Ja, das wusste ich.”
“Warum haben Sie dieses Wissen nicht mit mir geteilt?”
“Ich dachte, es wäre besser, wenn Sie Ms. Raneys Vorgeschichte selbst herausfinden. Ich habe nämlich den Eindruck gewonnen, dass Ihr Interesse an der Lady über ein rein berufliches hinausgeht. Habe ich recht?”
Dom wollte das vehement leugnen, doch ihm war klar, dass er Desmond sowieso nicht täuschen konnte. Mit einem Mann wie dem Lieutenant ging man am besten offen und ehrlich um.
“Haben Sie”, gestand Dom.
“Das nennt man dann wohl einen Interessenkonflikt, nicht wahr?”
Dom warf ihm einen wütenden Blick zu. “Mein Interesse ist nur, die Wahrheit herauszufinden.”
“Für Sie selbst oder für Ihre Klientin?”
“Für uns
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