Verheißene Erde
Ebenso wie der Senator für seine Wähler den unbestechlichen Holländer, konservativ, aber vernünftig, verkörperte, hielt Gideon alljährlich einen Kurs über »Das goldene Zeitalter Hollands, 1560-1690« ab, in dem er die schöpferischen Spannungen pries, die dieses kleine Land zu einer Weltmacht, dem Beherrscher von Java und Kapstadt, gemacht hatten. Er mußte wissen, was in Südafrika vorging, und hatte Saltwood beauftragt, es ihm mitzuteilen:
Lieber Professor Vandenberg,
einer der besten Ratschläge, die Sie mir je erteilten, war, ein Jahr zu warten, bevor ich mir ein Urteil über Südafrika bilde. Zehn Jahre wären eine noch angemessenere Studienzeit. Ich habe aber eifrig mit Afrikandern, Engländern und einer Menge von Schwarzen gearbeitet. Ich war auch in allen Teilen des Landes. Und ich habe wieder Kontakt mit den hiesigen Saltwoods aufgenommen, mit denen unser Familienzweig zuletzt 1810 Verbindung hatte.
Südafrika muß eines der schönsten Länder der Erde sein und wird nach meiner Erfahrung nur noch von Neuseeland übertroffen. Es ist ein Land, das wert ist, erhalten zu werden. Die Weißen haben einen sehr hohen Lebensstandard, und wenn die Leute in Europa und Amerika wüßten, wie großartig man hier lebt, würden sie alle hierher auswandern. Im Vergleich zu der weißen Oberklasse in Südafrika leben die Reichen in Texas und Oregon wie Sklaven. Würden Sie hier unterrichten, so könnten Sie sich mit Ihrem Gehalt vier Dienstboten, ein bequemes Leben und alle Annehmlichkeiten leisten. Die Lebensweise der südafrikanischen Weißen ist es wert, erhalten zu werden. Ja es lohnt sich sogar, für sie zu kämpfen. Ich habe noch nirgends so gut gelebt wie hier.
Der Lebensstandard der Schwarzen ist in den Städten gleichfalls höher als in Nigeria, Sambia und Vwarda. Deshalb wollen Hunderttausende von Schwarzen aus diesen Ländern nach Südafrika auswandern. Anders steht es allerdings mit
der persönlichen Freiheit, und vieles von dem, was man an einer liberalen Universität wie Michigan hört, entspricht der Wahrheit.
Die Menschen von Südafrika verwirren mich. Schon eine nur oberflächliche Untersuchung beweist, daß der sogenannte Afrikander nur selten rein holländischer Abstammung ist. Die Mischung scheint sich wie folgt zusammenzusetzen: fünfunddreißig Prozent holländische, dreißig deutsche, zwanzig hugenottische, fünf englische, fünf andere europäische und fünf untergegangene und verleugnete Vorfahren - letztere gehen zurück auf die Verbindungen mit Sklavinnen aus Madagaskar, Angola, Java, Ceylon und mit vielen Malaiinnen sowie braunen Hottentottenmädchen. Aber offensichtlich ist ein Tropfen holländischen Blutes stärker als alle übrigen europäischen Anlagen und kann sogar schwarze Beimischungen überdecken, wenn sie vor genügend langer Zeit erfolgten. Ein Mann, der nachweisbar zu sieben Achteln Deutscher, Hugenotte und Engländer ist, wird stolz sagen: »Meine Vorfahren waren Holländer.«
Aber in letzter Zeit hat sich dieser Vorgang anscheinend in das Gegenteil verkehrt, denn nun verunreinigt ein Tropfen schwarzen Blutes neunundneunzig Prozent weißes Blut, und das erklärt das ständige Ansteigen der farbigen Bevölkerung. Sie könnten tausend Jahre hier leben, Dr. Vandenberg, und dieses Problem nie verstehen. Die Farbigen, die die natürlichen Verbündeten des reinen Weißen sein sollten -wenn es überhaupt je so etwas wie Reinrassigkeit gegeben hat -, sind isoliert und haben keinen bestimmten Platz in der Gesellschaft. Den Farbigen verdanken die Afrikander einen beträchtlichen Teil ihres Wortschatzes, ebenso wie viele ihrer gesellschaftlichen Gewohnheiten und Bräuche, zum Beispiel ihre Vorliebe für stark gewürzte Speisen. Ein Mann mit Geschichtskenntnissen wie Sie muß zu dem Schluß gelangen, daß einer der bedauerlichsten Fehler der Afrikander darin bestand, daß sie sich von Menschen mit großen Fähigkeiten, die in Wirklichkeit ihre Halbbrüder sind, trennten - von den Farbigen. Diese Behauptung würde den Afrikander in Wut versetzen, den seine Historiker, seine Lehrer und seine Geistlichen absolut davon überzeugt haben, daß die Mischung von Weißen mit Sklavinnen ausschließlich durch Seeleute und Soldaten erfolgte, die sich beim Landurlaub in Kapstadt austobten, und daß kein Holländer, der etwas auf sich hielt, jemals eine Sklavin angerührt habe. Ein vorwitziger Bursche an der Universität von Witwatersrand hat folgendes ausgerechnet: Damit es zu einer solchen
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