Verheißene Erde
hatte einen Gedenktag für die Toten von Soweto organisiert. Er hatte sich für Englisch als wichtigste Sprache für die Studenten ausgesprochen. Er hatte die Ausdrücke Black Power und Black Consciousness gebraucht. Und er hatte gewisse Dinge getan, die die Regierung in Schwierigkeiten bringen mochten, die versuchte, die schlimmsten Folgen der Apartheid zu vertuschen. Sollte er für diese geringfügigen Vergehen ins Gefängnis wandern?
Als er diesen Gedankengang weiter verfolgte, mußte Saltwood zugeben, daß sein Freund zweier weiterer Verbrechen schuldig war, die nicht geringfügig waren: Er hatte Revolutionäre in Soweto besucht, und er hatte seinem verräterischen Bruder Zuflucht gewährt. Darüber war jedoch bei der Verhandlung nicht gesprochen worden. Das entscheidende, vernichtende Beweismaterial war, daß Nxumalo sich mit schwarzen Führern beraten hatte - und das kam dem geheimen Einverständnis mit einer fremden Macht gleich. Auch hatte Nxumalo das schändliche Argument vorgebracht, daß die Schwarzen, die das Andenken an Soweto ehrten, nur das gleiche taten wie die Weißen, die den Tag des Bundes feierten. Das war Blasphemie, und in einer Theokratie eine Todsünde.
Zum Schutz des Staates war es unbedingt erforderlich, daß Nxumalo streng bestraft wurde, aber als es an Richter Broodryk war, das System zu verteidigen, überraschte er seine Zuhörer mit den Worten:
Angeklagter Daniel Nxumalo, das Gericht befindet Sie in allen Punkten der Anklage für schuldig. Sie haben, wann immer sich eine Gelegenheit bot, die Sicherheit dieses Staates zu gefährden versucht, indem Sie die Ziele von revolutionären Gruppen förderten, die Komplotte schmiedeten, um die Regierung dieser Republik zu stürzen. Das Gericht hat sich Ihre Vorträge über Black Consciousness und Identität geduldig angehört, aber die rechtschaffenen Menschen dieser Nation haben ein kompliziertes System ausgearbeitet, das Gerechtigkeit für alle gewährleistet. Es ist durch vernünftige Gesetze umrissen, die Sie befolgen müssen, und für einen Mann mit Ihrer Bildung ist es ein Verbrechen, sie zu untergraben. Die im Terrorismus-Gesetz vorgesehene Höchststrafe ist der Tod, aber Sie haben während dieses Verfahrens wiederholt den Beweis dafür erbracht, daß Sie einen hervorragenden Verstand und festen Charakter besitzen, und das ist auf dieser Welt wichtig. Ich verurteile Sie zu zehn Jahren Gefängnis.
So wurde Daniel Nxumalo, dreißig Jahre alt, dessen einziges Verbrechen darin bestand, daß er Worte verwendet hatte, die von Menschen wie Jean Jacques Rousseau, Abraham Lincoln und Winston Churchill gebraucht worden waren, zu einem Jahrzehnt auf Robben Island verurteilt. Er ließ sich durch die Aussicht auf das Gefängnis nicht einschüchtern, denn er nahm an, es würde nicht lange dauern, bis die Vernunft in seinem
Land die Oberhand gewinnen würde; sogar wenn er nach seiner Entlassung auf fünf Jahre geächtet sein würde, wußte er, daß vor Ende des Jahrhunderts eine Zeit kommen würde, in der er und Schwarze wie er die wahre Freiheit erleben würden. Dann würde er wegen seines Märtyrertums eine bevorzugte Stellung genießen, wie es den ehemaligen Gefangenen Nehru, Mussolini, de Valera, Vorster, Kenyatta, Lenin, Hitler und Ghandi ergangen war. Er würde seine Zeit im Gefängnis genauso nutzen wie sie: um seine Theorien über die Regierungsgewalt auszubauen, und würde, wenn er herauskam, viel stärker sein als vorher. Nationen werden oft von Männern regiert, die durch ein Mißgeschick gezwungen wurden, ihre Gedanken neu zu ordnen. Oft sind jene, deren Leben ununterbrochen glatt verläuft, zu träge, um darüber nachzudenken, wie sie ihr Schiff in Stürmen steuern sollen.
Im Militärgefängnis in Chrissiesmeer hatte Detleef van Doorns Erziehung im einschränkenden Puritanismus begonnen; auf Robben Island erlebte Daniel Nxumalo seine Lehrzeit in der Strategie der Freiheit.
Als Philip Saltwood den Posten bei Amalgamated Mines übernahm, versprach er seinem Lieblingsprofessor Gideon Vandenberg an der Universität Michigan, daß er sich kein hartes Urteil über Südafrika bilden würde, bevor er dort ein volles Jahr gearbeitet hatte, daß er aber Vandenberg Bericht erstatten würde, sobald er soweit war. Der Professor war ein Mitglied der angesehenen Familie, aus der Senator Vandenberg und General Hoyr Vandenberg stammten; er verbrachte den Sommer in Holland, Michigan, der Tulpenhauptstadt von Amerika, und war eine Art Berufsholländer.
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