Verheißene Erde
hervorgekramt wird - beispielsweise, wenn jemand während einer Diskussion fragt: »Ist es nicht das, was van Doorn vor mehreren Jahren sagte?« Die Stelle aus »Eine nüchterne Überlegung«, die zugleich in zwei Städten, die durch Welten getrennt waren, wieder zum Leben erweckt wurde, betraf Schiffe:
Wie kommt es, daß zwei Schiffe von durchaus vergleichbarer Güte, bemannt mit Seeleuten von gleicher Gesundheit und mit gleicher Ausbildung, von Amsterdam nach Batavia segeln können und das eine auf Java eintrifft mit einer Besatzung, von der alle Mann arbeitsfähig sind, während das andere beim Einlaufen in den Hafen bereits ein Drittel seiner Mannschaft auf See begraben mußte und ein zweites Drittel so leidend ist, daß es innerhalb eines Jahres an unseren Fiebern sterben muß? So etwas wie Glücksschiffe und Unglücksschiffe gibt es nicht. Es gibt nur frische Nahrung, Ruhe, saubere Quartiere und was sonst noch den Skorbut verhindert. Ein Aufenthalt von drei Wochen am Kap der Guten Hoffnung mit frischem Gemüse, Zitronenbäumen und frischem Fleisch von den Hottentotten würde der Kompanie einen Verlust von tausend Menschenleben jährlich ersparen.
Viele der »Siebzehn Herren« waren der Ansicht, es sei nicht ihre Pflicht, sich um die Gesundheit von Matrosen zu kümmern, und einer sagte: »Wenn der Bäcker einen Kuchen bäckt, fällt etwas von der Kruste auf den Boden.« Jene anderen Herren, die einem Untergebenen auf Java einen scharfen Verweis erteilt hatten, weil er zwei Schiffe der Kompanie mit Nahrungsmitteln nach Ceylon zu hungernden Landarbeitern geschickt hatte, spendeten ihm Beifall: »Es ist nicht unsere Aufgabe, die Schwächlinge der Welt zu füttern.«
Aber bei anderen Mitgliedern des leitenden Komitees fanden van Doorns Kommentare über das Kap Widerhall, und diese Männer brachten von Zeit zu Zeit die Angelegenheit der übermäßigen Todesfälle ihren Kollegen in Erinnerung. Man schätzte, daß es die Kompanie gut und gern dreihundert Gulden kostete, einen Mann in Batavia an Land zu bringen, und daß die Kosten, wenn er nicht zumindest fünf Jahre dort arbeitete, nie hereingebracht werden konnten. Damit endete die Debatte, ohne daß etwas unternommen wurde.
Mevrouw van Doorn beobachtete mit Bestürzung, wie ihr jüngerer Sohn in das langweilige Dasein eines untergeordneten Angestellten abglitt, der wesentlich unfähigeren Leuten unterstellt war, die jedoch ihre Ausbildung in Holland erhalten hatten. Willems Lebhaftigkeit ermattete, und seine Schultern erschlafften. Er trug oft eine mädchenhafte Kette um den Hals, an der ein Elfenbeinarmband hing. Das schmerzlichste war jedoch, daß er in die Einflußsphäre der wenigen holländischen Witwen geriet, die in Batavia blieben, ohne jedoch über ein Familienvermögen zu verfügen wie Mevrouw. Das war eine armselige Gesellschaft, »Seekühe, die sich von jedem Stier besteigen ließen, der es wollte«, und es würde nicht lang dauern, bis Willem zu ihr kommen und ihr sagen würde, daß er die eine oder andere zur Frau nehmen wolle. Danach war nichts mehr zu retten. Und dann, eines Tages im Jahr 1652, als die weißhaarige, dicke Mevrouw van Doorn Vorbereitungen für ihren Neujahrsempfang traf, kam die erstaunliche Nachricht nach Batavia, daß am Kap der Guten Hoffnung eine Nachschubstation unter der Leitung von Jan van Riebeeck errichtet worden sei. Man diskutierte darüber, welcher Teil der Nachricht aufsehenerregender sei, die Station selbst oder ihr vorgeschlagener Leiter. Und Hendrickje bemerkte laut, zum Vergnügen der Zuhörer: »Wenn ein Mann nicht schlau genug ist, von der Kompanie zu stehlen, wird er auch nicht schlau genug sein, für sie zu stehlen.«
Willem van Doorn war im Garten, als seine Mutter das sagte, aber er hörte den Namen van Riebeeck und fragte, als er durch die Tür eintrat: »Van Riebeeck? Den hab’ ich kennengelernt. Was ist mit ihm?«
Der siebenundzwanzigjährige Willem stand müde in der Tür, von Frühlingsblumen eingerahmt, und seine Hände begannen zu zittern, denn die lange Trockenperiode seines Lebens war zu Ende. Nachdem er sich gefaßt hatte, zermarterte er sich das Gehirn, wie er es anstellen sollte, eine Aufgabe am Kap zu erlangen. Eines Tages rief ihn ein Adjutant des Generalgouverneurs beiseite: »Van Doorn, wir wurden ersucht, der Ansiedlung einige erfahrene Leute zu schicken, die beim Aufbau helfen können.« Willem wollte sich schon melden, aber der Adjutant fuhr fort: »Es müssen natürlich jüngere Leute
Weitere Kostenlose Bücher