Verheißene Erde
hastig. Van Riebeeck bot ihm drei verläßliche Schützen als Begleitung an, aber Willem lehnte ab: »Ich gehe, aber nicht mit einer Armee.«
Damit begannen seine Schwierigkeiten mit der Kompanie. Die maßgebenden Leute wollten nicht glauben, daß ein Holländer sich schutzlos ins Landesinnere wagte und sich auch noch eine Chance ausrechnete, mit dem Leben davonzukommen. Aber Willem war sich seiner Sache so sicher, daß er darauf bestand. Schließlich erhielt er jedoch den Befehl, die drei Schützen zu akzeptieren, und nach heftigem Protest, der alle verärgerte, fügte er sich.
Er hatte recht gehabt. Als die Hottentotten bewaffnete Männer erspähten, zogen sie sich samt ihrem Vieh in die entfernteren Hügel zurück. Neun Tage lang gelang es van Doorn nicht, auch nur einen Hottentotten zu treffen, so daß er sich gezwungen sah, zurückzugehen. Während des Rückmarsches bemerkte einer der Schützen: »Ich glaube, wir werden verfolgt.« Nachdem sie spezielle Vorsichtsmaßregeln getroffen hatten, kamen sie gemeinsam zu der Ansicht, daß vermutlich mehrere braune Männer ihren Marsch aus sicheren Verstecken verfolgten.
»Jack muß dasein«, erklärte Willem, und als sie zu den leichten Erhebungen kamen, von denen aus man die Ansiedlung am Kap sehen konnte - einer Stelle, an der ein vorsichtiger Feind umkehren würde -, sagte er: »Ich weiß, es ist mein Freund. Ich gehe zu ihm.«
Das rief lauten Protest hervor, aber Willem blieb hart: »Ich gehe ohne Schußwaffe, damit er sieht, daß ich es bin, sein Freund.« Und er ging mit weit ausgebreiteten Armen auf den kleinen Erdhügel zu, hinter dem, wie er wußte, ein Beobachter wartete. »Ich bin es, Jack«, rief er auf englisch. »Van Doorn.«
Nichts regte sich. Wären die Person oder die Personen hinter dem Hügel Feinde gewesen, hätte er bald tödliche Assagais auf sich zufliegen sehen. Aber er war sicher, daß, wenn jemand den Mut besaß, vier schwerbewaffneten Männern zu folgen, es Jack sein mußte. Deshalb rief er ihn nochmals. Da vernahm er hinter dem Hügel ein leises Geräusch und langsam, ganz langsam, tauchte eine menschliche Gestalt auf. Es war ein unbewaffneter Hottentotte, der die Uniform eines englischen Matrosen trug. Einige Augenblicke lang standen sich die beiden Männer schweigend gegenüber. Van Doorn ließ seine leeren Hände sinken und bewegte sich vorwärts. Jack lief auf ihn zu, und die alten Freunde lagen sich in den Armen.
Sie setzten sich auf einen Felsen, und Willem fragte: »Wie kam es dazu, daß diese bösen Dinge geschahen?«
Es war zu schwierig zu erklären. Auf beiden Seiten waren Versprechungen nicht eingehalten worden, es kam zu Drohungen, die nie hätten geäußert werden sollen, und zu geringfügigen Uneinigkeiten, die zu Scharmützeln ausarteten. Diese führten zu Todesfällen; es würde weitere geben, und es gab keine Aussicht auf Versöhnung.
»Ich kann das nicht glauben«, sagte Willem. Seine Liebe zu der Sklavin Deborah hatte seine Haltung gefestigt und machte es ihm leichter, diesen Hottentotten als Verbündeten zu betrachten. »Wir reden zuviel«, gab Jack zurück.
»Aber wir werden hierbleiben, jack. Für immer, jetzt nur einige von uns, später viele. Müssen wir immer als Feinde leben?«
»Ja. Ihr stehlt unsere Rinder.«
»Man sagt, daß ihr unser Werkzeug stehlt und unsere europäischen Schafe.«
Der Hottentotte wußte, daß diese Gegenbeschuldigung zutraf, konnte sich aber nicht rechtfertigen. Die Feindseligkeiten waren auch bereits sehr weit gediehen, fast schon zu weit.
Und Willem mußte dem schweren Vorwurf auf den Grund gehen: »Habt ihr den weißen Soldaten ermordet?«
»Buschmänner«, sagte Jack, und seine behenden Finger deuteten den dreiteiligen Pfeil an.
»Willst du nicht mit mir kommen?« bat Willem. »Nein.«
Der Abschied war für beide sehr schmerzlich. Als die beiden Männer weit genug voneinander entfernt waren, hob einer von van Doorns Schützen sein Gewehr und feuerte auf Jack. Der hatte eine solche Möglichkeit vorausgesehen und sprang rasch hinter einen Erdwall, so daß er nicht getroffen wurde.
An einem schönen Februarmorgen des Jahres 1657 versammelten sich neun Schützen und Matrosen vor van Riebeecks Amtssitz. Alle Einwohner des Forts unterbrachen ihre Arbeit und kamen heran, um eine Ankündigung zu hören, die die Geschichte Afrikas verändern sollte:
Die »Ehrenwerten Siebzehn Herren« in Amsterdam, die immer zu tun wünschen, was die Interessen der Kompanie fördert, haben gnädig
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