Verheißenes Land
lockere Zunge im Zaum, Liam Maguire«, wies Emily ihn sogleich zurecht, kicherte dann jedoch unterdrückt.
»Du Dummkopf«, sagte Éanna leise zu Brendan. »Unsere Betten trennen doch nicht einmal drei Fuß.«
»Aber es sind riesige und bittere drei Fuß«, erwiderte er mit einem schweren Seufzer. Dann gab er ihr noch einen Kuss und kehrte zu seinem Bett zurück.
»Männer!«, sagte Emily leise in die Dunkelheit und ihrer Stimme war anzuhören, dass zu diesem Kommentar ein spöttisches Kopfschütteln gehörte. »Was haben wir uns da bloß eingefangen, Éanna?«
Éanna lachte. »Vermutlich das, was wir verdient haben.«
»So? Ich kann mich gar nicht daran erinnern, in meinem Leben schon so viele Verfehlungen begangen zu haben, dass der Allmächtige meint, mich mit Liam Maguire strafen zu müssen«, stichelte Emily.
»Hört, hört!«, kam es grummelnd von Liam.
Éanna schmunzelte. Sie wusste, dass ihre Freundin Liam mit Herz und Seele liebte. Und Liam verehrte Emily und bemühte sich, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Éanna wurde nachdenklich. Wie stand es um sie und Brendan? Hatten sie einander wirklich verdient, wie sie ihrer Freundin eben scherzhaft geantwortet hatte?
Unvermittelt stand ihr wieder Patricks Bild vor Augen und sie fragte sich, ob er auch so oft an sie dachte wie sie an ihn. Warum kam sie einfach nicht gegen ihre Gefühle für ihn an? Jetzt, da sich ihre Wege endgültig getrennt hatten, fühlte sie sich ihm sogar näher als je zuvor.
Doch dieses Mal blieb Éanna die lange Grübelei über die beiden Männer in ihrem Leben erspart. Von der langen Reise und den vielen neuen Eindrücken war sie so erschöpft, dass ihr die Augen zufielen, noch bevor sie den letzten Gedanken zu Ende geführt hatte.
Siebtes Kapitel
Anderthalb Tage eilte Patrick nun schon über die Landstraße. Auf seinem langen Fußmarsch hatte er um jeden Bissen Essen betteln müssen, doch zu seiner großen Erleichterung war er immer wieder Menschen begegnet, die ihm eine Kleinigkeit zugereicht hatten. Aber auf jeden, der ihm ein Stück Brot oder Maiskuchen gegeben hatte, waren drei andere gekommen, die in ihm einen schäbigen Landstreicher gesehen und ihm mit Prügeln gedroht hatten, wenn er sich nicht augenblicklich davonmachte. In zwei Dörfern waren ihm sogar grölende Kinder nachgelaufen und hatten ihn mit Steinen und getrocknetem Pferdemist beworfen. Und nur wenige Male hatte ihn ein mitleidiger Fuhrmann einige Meilen mitgenommen. Patrick war enttäuscht darüber, in solch einer schweren Situation offenbar nicht auf die Hilfe anderer zählen zu können. Das war eine bittere, für ihn neue Erfahrung, die er wie die Auspeitschung an Bord der Sarah Lee so schnell nicht vergessen würde.
Doch nun endlich hatte er die Eisenbahnstrecke erreicht. Die Bahnstation war nicht mehr als ein größerer Bretterschuppen mit einem Dach aus grün angestrichenen Wellblechplatten. Aber immerhin gab es in der Station ein Telegrafenamt. Darauf setzte Patrick all seine Hoffnung – und darauf, den Stationsvorsteher von dem blendenden Geschäft überzeugen zu können, das er ihm anzubieten hatte.
Allmählich wurde es Zeit, dass sein Glück sich zum Besseren wendete. Die Stunden zerrannen ihm zwischen den Fingern und wenn es so weiter ging, konnte er seine Hoffnung begraben, es noch rechtzeitig nach Independence zu schaffen. Mit aller Überzeugungskraft, die er aufzubieten hatte, begann Patrick, seine Geschichte zu erzählen.
»Das musst du mir noch einmal erzählen«, unterbrach ihn der Eisenbahnangestellte schon nach wenigen Worten. »Habe ich dich gerade richtig verstanden, dass man dich in New York schanghait hat und du vor der Küste von Cape Hatteras von Bord gesprungen und an Land geschwommen bist?«
»Genau so hat es sich ereignet«, bestätigte Patrick.
»So, so! Das ist ja eine tolle Geschichte, die du da zum Besten gibst. Habe schon lange nicht mehr so etwas Verrücktes gehört«, sagte der Stationsvorsteher und musterte ihn scharf durch den Zwicker, der ihm auf dem Nasenrücken saß. Er war ein hagerer Mann mit schütterem Haar und einem schmalen Hängebackengesicht, das Patrick an das Aussehen eines alten Dackels erinnerte. Über den Ärmeln seines Hemdes trug er schwarze Ärmelschoner mit Flickenaufsätzen und dazu eine schwarze Weste. Seine gesamte Kleidung bis hin zu den Flicken war alt und abgewetzt.
»Aber sie ist wahr!«, versicherte Patrick.
»Na, was sagt Ihr dazu, Mister Lancaster?«, fragte der
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