Verheißenes Land
Erscheinung. Er war von kräftiger, breitschultriger Statur und sein kantiges Gesicht wurde von einem drei Finger breiten rostbraunen Backenbart eingefasst, der beidseitig bis ans Kinn hinunterreichte. Gekleidet war er in einen alten blauen Soldatenrock mit stumpfen Messingknöpfen, von dem die Regiments- und Rangabzeichen entfernt worden waren. Auf dem Kopf saß eine Kappe mit schwarzem Schirm, die ebenfalls aus Armeebeständen stammte.
Éanna und ihre Gefährten schoben sich so nah wie möglich zu ihm an den Tisch, um mitzuhören, was ihr vermutlicher Anführer gerade zwei Familien mitteilte.
»Ja, zehn Dollar für jeden Erwachsenen, der an meinem Wagenzug teilnimmt, und für Kinder bis zehn die Hälfte«, hörten sie ihn sagen.
»Das ist nicht wenig«, sagte ein Mann verdrossen.
»Aber es sind zehn Dollar, die gut angelegt sind!«, versicherte Nathan Palmer.
»Und was ist mit Eurem Scout? Wird für den auch noch eine Entlohnung fällig?«
»Genau, und wieso ist so ein Scout überhaupt nötig, wo Ihr die Strecke doch kennt, wenn wir Euch recht verstanden haben?«, wollte eine der Frauen wissen und fuhr besorgt fort: »Ist es wegen der Indianer?«
»Nein, ganz und gar nicht, gute Frau«, beteuerte Nathan Palmer und schmunzelte nachsichtig. »Von den Rothäuten entlang des Trails geht so gut wie keine Gefahr aus, da habt Ihr mein Wort! Schon gar nicht, wenn Ihr in einem so großen Wagenzug reist, wie ich ihn zusammenstelle. Diese haarsträubenden Geschichten von Überfällen, Entführungen weißer Frauen und grässlichen Torturen am Marterpfahl sind reine Erfindung! Diese Schauermärchen denken sich irgendwelche Schreiberlinge aus, um ihre Heftchenromane besser verkaufen zu können. Die meisten von ihnen haben noch nie einen Indianer zu Gesicht bekommen!«
»Das ist beruhigend zu hören, Mister Palmer«, sagte die Frau erleichtert.
»Und natürlich ist die Entlohnung für den Scout schon in den zehn Dollar enthalten. Mit Mister Jeremiah Fennmore«, fuhr Nathan Palmer fort, »habe ich einen erfahrenen Mann für unseren Treck gewinnen können. Er wird vorausreiten und das Gelände sondieren sowie die Jagdtruppen anführen, die wir regelmäßig ausschicken werden, um unseren Speisezettel etwas abwechslungsreicher zu gestalten. Jeremiah Fennmore hat lange als Pelzjäger gearbeitet und viele Jahre als Mountain Man in der Wildnis verbracht. Das wird uns allen zugutekommen.«
Die Männer vor Éanna nickten sich zu, sichtlich angetan von der Gewissenhaftigkeit und Umsicht, mit der Nathan Palmer seinen Wagentreck organisierte.
»Was genau werden wir für die Reise brauchen?«, erkundigte sich nun ein anderer. »Und wie lange werden wir Eurer Erfahrung nach unterwegs sein?«
»Mit vier bis fünf Monaten solltet Ihr schon rechnen«, antwortete Palmer. »Man kann die Strecke auch in kürzerer Zeit bewältigen, wenn man Maultiere hat, doch die kann sich kaum einer leisten. Viel hängt außerdem vom Wetter ab und wie oft wir pausieren müssen, um gebrochene Achsen oder Wagenräder zu reparieren. Und beim Überqueren von Flüssen kann es ebenfalls zu Verzögerungen kommen. Man weiß im Voraus also nie, wie lange man für den Trail nach Westen braucht. Gut viereinhalb Monate sind aber in jedem Fall ein gutes Mittel, an das Ihr Euch halten könnt.«
Wieder nickten sich die Männer zu. Denn das war die Auskunft, die sie auch schon von anderen erhalten hatten.
»Und was die notwendige Ausrüstung und den Proviant betrifft, so ist die Liste zu lang, um all diese Dinge jetzt aufzuzählen«, ging Nathan Palmer auf die zweite Frage ein. »Aber das ist auch nicht nötig, denn ich habe eine genaue Auflistung vom Allernotwendigsten drucken lassen. Also nehmt Euch von jedem Stoß ein Blatt. Auf den Zetteln ist alles aufgeführt, was Ihr wissen und mit auf den Treck bringen müsst.«
»Das wird uns bei den Besorgungen eine große Hilfe sein«, sagte die Frau, die sich wegen der Indianer Sorgen gemacht hatte.
»Aber überlegt nicht zu lange, ob Ihr an meinem Wagenzug teilnehmen wollt«, mahnte der Treckführer. »Schon mehr als vierzig Personen haben sich angemeldet und ihre Gebühr entrichtet. Wenn ich vierzig Wagen mit mindestens vierzig erwachsenen Männern zusammenhabe, nehme ich keine weiteren Teilnehmer mehr an. Ein zu großer Wagenzug bringt nämlich ebenso viele Probleme mit sich wie ein zu kleiner!«
»Und wann, glaubt Ihr, werdet Ihr losziehen?«
»Frühestens in einer guten Woche, möglicherweise auch noch ein paar
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