Verheißung Der Nacht
bemerkt, dass das Auge ihres Exmannes blau angeschwollen war und dass seine Rippen verletzt waren. Und sie hatte beobachtet, wie Reid mit ihm umgegangen war, und Keiths Angst.
»Das ist eine große Versuchung«, meinte sie ernst. »Aber so etwas möchte ich nicht auf meinem Gewissen haben.«
»Dann machen wir also genauso weiter wie zuvor.«
»Ist das ein Vorschlag oder eine Frage?«
Er sah sie an. »Sieh es lieber als eine Bemühung meinerseits herauszufinden, was du dir vorstellst.«
»Nichts«, antwortete sie erbittert. Was sie interessierte, war, was er vorhatte, was er von der Zukunft erwartete. Ob es nun Vorsicht war oder List oder nur ein männlicher Instinkt, sich selbst zu schützen - er verriet es ihr nicht.
»Dann werden wir also gar nichts tun«, meinte Reid mit einem leisen Lächeln.
Ganz so einfach war es natürlich nicht. Sie lasen alte Illustrierte, uralte National Geographics, während sie im Bett hin und her rutschten und die verschiedensten Teile der Anatomie des anderen als Kissen benutzten. Sie lauschten der Musik von Mozart auf Cammies tragbarem CD-Spieler. Mit nackten Füßen gingen sie in die Küche. Sie waren einander ständig im Weg, als sie Thunfischsalat machten mit gekochten Eiern und Eistee. Und sie liebten sich, langsam und voller Genuß, dann duschten sie, liebten sich noch einmal, schnell und hart, und duschten noch einmal. Später aßen sie im Bett zu Abend - Apfelkuchen und Eis -, und das Essen hatte nicht unbedingt Vorrang.
Erst am Morgen stand wieder diese peinliche Verlegenheit zwischen ihnen. Sie erinnerten sich daran, dass sie früh in die Stadt musste n, sie beide hatten Jobs und auch Verpflichtungen. Nachdem sie gefrühstückt und sich angezogen hatten, nahm das immer wieder verdrängte Bewusstsein um ihre unterschiedlichen Standpunkte enorme Ausmaße an. Weder Humor noch Vernunft konnte ihre Verbindung zu etwas Normalem machen, geschweige denn zu etwas Dauerhaftem.
Reid schlug vor, Cammie nach Evergreen zu bringen, und sie stimmte zu, denn das war einfacher. Sie hatte nicht den Wunsch, noch länger in dem Wochenendhaus zu bleiben. Schon immer hatte es hier viel zu viele unangenehme Erinnerungen gegeben, jetzt waren noch neue dazugekommen.
Dennoch, als sie an dem großen Haus auf dem Hügel angekommen waren, wollte sie nicht, dass er schon ging. Als sie ihm nachsah, wie er davonfuhr, fühlte sie sich verlassen und verzweifelt. Es war, als hätte er ihre Sicherheit mitgenommen.
Der Morgen ging voran. Um ihre Gedanken abzulenken, rief Cammie Fred Mawley an. Er schien ihren Anruf als persönliches Rompliment aufzufassen und plauderte ungezwungen mit ihr. Es dauerte lange, bis sie ihm die Frage stellen konnte, die sie schon die ganze Zeit über beschäftigt hatte. Nein, er hatte ihr Testament noch nicht abgeändert, er hätte ja nicht ahnen können, dass sie es damit so eilig hatte - immerhin war sie doch viel jünger als die meisten seiner Mandanten, die sich die Mühe machten, ihre Besitztümer durch ein Testament zu verteilen. Sie wüsste doch sicher auch, dass die meisten Frauen diese Mühe erst gar nicht auf sich nähmen, ganz besonders nicht die Frauen in Louisiana, wo der Erbteil gerecht verteilt wurde. Ja, er hätte das gemeinsame Testament, dass er damals für sie und Keith ausgearbeitet hatte, irgendwo auf seinem Schreibtisch und auch die Änderungen, die sie jetzt vornehmen wollte. Er wollte sich gleich damit beschäftigen. Und wie wäre es, wenn sie am Samstag mit ihm zu Abend aß? Sie konnten in den Tower Club in Monroe gehen. Dort war es ruhig und sehr exklusiv. Da er das Geld für die Mitgliedschaft aufgebracht hätte, müßte er sich öfter dort sehen lassen, um auch etwas von seinem Geld zu haben.
Sie lehnte das gemeinsame Abendessen dankend ab. Glücklicherweise konnte sie sich damit herausreden, dass ausgerechnet an diesem Abend ein Treffen der Gruppe stattfand, die gegen den Verkauf der Fabrik protestierte. Sie wollten weitere Pläne ausarbeiten, wie sie kostenlose Werbung für ihre Sache machen könnten.
Als sie an dieses bevorstehende Treffen dachte, wurde Cammie klar, dass sie ihre Pläne für diesen Tag weiter verfolgen musste . Sie war schon im Hintertreffen mit ihrer Arbeit, diese Organisation auf feste Beine zu stellen.
Sie holte ihr Adreßbuch hervor und rief einige Leute in der Hauptstadt das Staates an, die vielleicht wissen würden, wie sie vorgehen könnte, oder die vielleicht sogar daran interessiert waren, ihr zu helfen. Sie war
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