Verheißung Der Nacht
stolz darauf, dass sie bei diesen Leuten so viel Interesse wecken konnte, angefangen von dem bekannten Naturfotografen bis hin zu der Witwe des Ölmagnaten aus Shreveport, die ihre Zeit damit verbrachte, nützliche Projekte zu unterstützen. Cammie setzte sich auch mit einer alten Freundin in Verbindung, die im Natur- und Fischereiamt arbeitete, und lud sie ein, vor der Gruppe einen Vortrag über die Auswirkungen des Holzschlages auf die Wasserwirtschaft zu halten. Sie brauchte nicht viel Überredungskunst, um die Zustimmung dazu zu bekommen.
Weniger erfolgreich war sie allerdings, als sie die Leute in ihrer Umgebung anrief, sie an die Versammlung erinnerte und sie bat, der Gruppe beizutreten. Frauen, die sie schon jahrelang kannte, waren außergewöhnlich unhöflich oder legten sogar den Hörer einfach auf. Ein Mann bedachte sie mit einigen sehr wenig schmeichelhaften Schimpfworten und erklärte, sie brauchte einen Stall voller Kinder, die sie beschäftigen würden, damit sie sich nicht in Dinge einmischte, die sie nichts angingen. Ihr letzter Anruf galt einer älteren Freundin von Tante Beck, die ihr erklärte, sie sei eine Schande für ihre Eltern und ihre Großeltern.
Cammie saß noch lange nach diesem Anruf vor dem Telefon und starrte vor sich hin, eine Hand noch immer auf dem Hörer. Sie hatte gewusst , dass einige Leute in der Stadt sich über ihren Standpunkt aufregten, aber sie hatte nicht geahnt, wie hoch die Emotionen gingen. Bei dem Gedanken, auf derartig viel Feindseligkeit zu treffen, wurde ihr ganz übel. Dass Freunde und Nachbarn, Menschen, die sie schon ihr ganzes Leben lang kannte, sich gegen sie wenden würden, machte ihr angst.
Es fiel ihr schwer zu verstehen, wie wenig Menschen sich Gedanken darüber machten, was mit dem Land geschah. Sie schienen zu glauben, dass nichts und niemand ihm etwas anhaben konnte. Teil dieser Einstellung war die Beschaffenheit des Landes in Louisiana. Es war so ertragreich und fruchtbar, beinahe unerschöpflich.
Der Regen füllte die Bäche und Flüßchen, die Ströme und die Sümpfe, die Auffangbecken für die Flut waren. Erde, die nicht durch Terrassen oder Wurzeln von Bäumen und Pflanzen gehalten wurde, wurde weggespült, doch meistens nicht weit, weil das Land zu eben war, um dem Wasser zuviel Geschwindigkeit zu geben. Hitze und Regen waren Ursache üppigen Wachstums, allein die Straßenränder freizuhalten war in jedem Jahr eine immer wiederkehrende, kaum zu bewältigende Aufgabe, da Schößlinge, Büsche und Gräser so schnell wuchsen, dass sie in Rurven und an unübersichtlichen Stellen Sichtbehinderungen bildeten. Baumschößlinge, die um unbewohnte Häuser herum in die Höhe schössen, schienen beinahe über Nacht zu wachsen. Wenn man sie nicht entfernte, wuchsen sie zu Bäumen heran, die wiederum das Wachstum von Ranken förderten, Schatten gaben für Dornengestrüpp, für Pilze und Moose, Schimmel und Mehltau, die Dächer, Wände und Grundmauern zerstörten. Ein verlassenes Haus konnte in wenigen Jahren vom Gewicht der Ranken, von totem Laub und Ästen und den Organismen, die sich davon ernährten, zum Einsturz gebracht werden.
Der Zyklus von Leben und Veränderung war immerwährend. Die meisten Menschen schienen zu glauben, dass ein wenig kontrollierte Zerstörung nicht schlecht sei und auch nicht viel Schaden anrichten könnte. Sie irrten sich natürlich, doch es schien keinen Weg zu geben, ihnen das klarzumachen.
Das Telefon, auf dem noch immer ihre Hand lag, läutete. Cammie zuckte zusammen, als hätte man ihr einen Schlag versetzt, dann schüttelte sie irritiert den Kopf.
»Cammie, bist du das? Ich habe schon eine Ewigkeit versucht, dich zu erreichen. Ist alles in Ordnung?«
Diese Stimme mit dem jammernden, klagenden Ton eines Menschen, der ständig unterdrückt wurde, gehörte ihrer Tante, Sara Taggart, der Schwester ihrer Mutter. Cammie antwortete ihr so freundlich sie nur konnte.
»Dein Onkel meinte, dass ich dich anrufen sollte, und wirklich, ich denke, dass er diesmal sogar recht hat«, meinte ihre Tante, nachdem sie einander begrüßt hatten. »Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll. Aber ich kann es dir auch nicht vorenthalten, nicht nach all dem, was geschehen ist.«
»Was ist denn, Tante Sara?« fragte Cammie. Sie versuchte, nicht ungeduldig zu klingen.
»Es geht um diese junge Frau, die plötzlich vermisst wird, dieses Baylor-Mädchen. Eine der Damen aus unserer Kirchengemeinde hat einen Bruder, der an Krebs erkrankt
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