Verheißung Der Nacht
Er würde so etwas Hinterhältiges nie tun.
Oder vielleicht doch?
Was wusste sie eigentlich wirklich von ihm? Wenn man mit einem Mann ins Bett ging, bedeutete das noch lange nicht, dass man auch seinen Charakter kannte.
Und trotzdem, wo sonst war ein Mensch so sehr er selbst? Wenn man jemanden nicht nach seiner Rücksichtnahme und seiner zärtlichen Besorgnis beurteilen konnte, die er beim Liebesakt zeigte, wie sollte es denn möglich sein herauszufinden, wie sein innerstes Selbst beschaffen war?
Sie war so verwirrt, dass sie sich nicht konzentrieren konnte, dass es ihr nicht gelang, sich auf ihre Arbeit vorzubereiten. Sie musste noch ihre Reisetasche auspacken, doch sie brachte es nicht über sich, die Sachen und das Nachthemd anzusehen, das sie in der letzten Nacht getragen hatte. Persephone hatte eine Einkaufsliste gemacht, doch das letzte, was Cammie jetzt wollte, war, einkaufen zu gehen. Sie überlegte, ob sie zu ihrem Antiquitätenladen fahren sollte. Aber was hatte es für einen Zweck, sie würde sich sowieso nicht auf ihre Arbeit konzentrieren können.
In ihrem Blumengarten zu arbeiten hatte sie schon immer beruhigt. Sie holte ein paar alte Gartenhandschuhe hervor, nahm ihre Gartenschere und verließ das Haus.
Eine Stunde ungefähr verbrachte sie im Garten, schnitt einen Strauß Azaleen für ihr Wohnzimmer, entfernte verwelkte Blüten, düngte die Kamelien und zupfte Unkraut aus den Beeten. Es war ein warmer, schöner Tag, sie konnte langsam damit beginnen, die Sommerpflanzen zu setzen. Sie entschied sich, ins örtliche Gartencenter zu fahren, um zu sehen, was dort angeboten wurde.
Cammie ging ins Haus, um Geld zu holen. Auf dem Weg nach draußen fiel ihr Reids Morgenmantel ins Auge, den sie getragen hatte, als er sie vor Tagen vom Fort nach Hause gebracht hatte. Persephone hatte ihn gewaschen und ihn dann auf den Tisch im Flur gelegt, damit sie ihn dem Eigentümer zurückgeben konnte. Sie konnte ihn auf ihrem Weg bei Reid vorbeibringen, es wäre nur ein kleiner Umweg.
Reid war nicht zu Hause, doch er würde bald zurückkommen, erklärte seine Haushälterin. Lizbeth bot ihr K affee und Ku chen an, wenn Cammie warten wollte, doch Cammie lehnte ab und erklärte, wohin sie unterwegs war. Sie reichte Lizbeth den Morgenmantel.
»Ich habe mich schon gewundert, wo dieses Ding geblieben sein könnte; es ist Mr. Reids liebstes K leidungsstück, der alte Lumpen«, sagte Lizbeth. Die große, dunkelhäutige Frau, die ihr Haar zu einer Krone aus Zöpfen aufgesteckt hatte, strich mit ihren langen, schlanken Fingern über den weichen Stoff.
»Ich wusste ja nicht ...«
»Machen Sie sich keine Sorgen. Er wusste wohl, wo er danach hätte suchen müssen, denke ich, wenn er ihn hätte wiederhaben wollen.«
Cammie stimmte ihr zu, akzeptierte resigniert, dass Lizbeth ganz genau zu wissen schien, was vorgefallen war. Sie verabschiedete sich und wollte gehen.
»Wegen dieser Sache mit der Fabrik, Mrs. Hutton ...« Die Haushälterin hielt inne, als sei sie nicht sicher, ob es klug wäre weiterzusprechen.
Cammie drehte sich zu ihr um und betrachtete das besorgte Gesicht der Frau. »Ja? Was ist damit?«
»Ich habe mir gewünscht, mit Ihnen darüber sprechen zu können. Mr. Reid macht sich schreckliche Sorgen, weil er bemüht ist, das Richtige zu tun - und das ist nicht immer so leicht, wie einige Leute zu glauben scheinen. Sein Daddy, müssen Sie wissen, hat ihm schon früh beigebracht, die Dinge von allen Seiten zu betrachten, und das versucht er jetzt. Aber die Sorge, was das beste für die Menschen ist, bereitet ihm großen Kummer.«
»Ja, das weiß ich«, stimmte Cammie Lizbeth aufmunternd zu, als diese nicht weitersprach.
»Sehen Sie, er weiß, dass mein Mann Joseph und meine beiden ältesten Söhne ihren Lebensunterhalt mit Holztransporten verdienen. Sie haben zwei Tracks angeschafft für den Transport von Holzbrei. Mein jüngster Sohn Ty dagegen macht Karriere in der Armee, der wird also nicht davon betroffen sein. Aber die anderen müssen Holz fällen, solange das Wetter gut ist, denn es ist wirklich schwierig, es im Winter, wenn es so stark regnet, aus dem Wald zu holen. So wie die Dinge jetzt stehen, kann die Fabrik nicht immer alles Holz aufkaufen, das sie im Sommer schlagen, also spüren sie das in ihrem Geldbeutel. Oh, sie verdienen genug, um davon leben zu können, solange ich noch mitarbeite, reicht unser Geld. Aber sie können sich nicht genug zurücklegen, um auch über schwere Zeiten hinwegzukommen.
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