Verheißung Der Nacht
oder zwei Jahren war der Wasserverschmutzung, der Lagerung chemischer Abfälle und dem Verlust von Feuchtgebieten, die vielen Arten von Zugvögeln als Brutgebiete dienten, größere Beachtung geschenkt worden. Cammie glaubte, dass ihre Unterstützung für die Spechte und ihre Bedenken gegen die unkontrollierte Ausbeutung von Wasser und Land genau in diesem Trend lagen.
Ein weiteres Anzeichen dafür, dass sie etwas erreichte, waren die Anrufe in den letzten Tagen gewesen. Es hatte etwa ein halbes Dutzend Anrufe von Leuten gegeben, die ihren Einsatz begrüßten, vier von ihnen hatten sogar ihre Hilfe angeboten. Einige Anrufer hatten ihr aber auch zu bedenken gegeben, wie kurzsichtig sie wäre mit ihrer Kampagne.
Als Cammie das Haus verließ, um zu einer Versammlung des Pine-Tree-Festival-Komitees in der Stadt zu fahren, fragte sie sich, ob Reid wohl die Zeitungen gelesen oder die Rommentare in den Nachrichten gehört hatte. Hoffentlich erstickte er daran. Er würde schon herausfinden, wie ernst sie es mit ihrer Ankündigung gemeint hatte, gegen ihn kämpfen zu wollen.
Sie war noch immer wütend auf ihn, weil er am Abend der Versammlung einfach in ihrem Haus aufgetaucht war. Das war beinahe genauso unverschämt wie sein Vorwurf, sie benutze die Bäume und die Vögel dazu, ihn von sich fernzuhalten. Wie konnte er behaupten, dass ihre Überzeugung nur ihrem persönlichen Vorteil diente? Sie hatte sich schon um ihre Umgebung gesorgt, lange bevor sie ihm in dieser Nacht im Wald begegnet war.
Und was seine Behauptung betraf, sie verstecke sich hinter der Sache mit der Papierfabrik, um ihm aus dem Weg zu gehen, so fand sie das lächerlich. Warum sollte sie so etwas tun? Sie hatte ihn doch praktisch verführt, oder etwa nicht? Es hätte gar keine Beziehung zwischen ihnen gegeben, nicht einmal eine unpersönliche, wenn sie es nicht gewollt hätte.
Sie fürchtete sich nicht vor ihm. Wenn sie sich nach dieser einen Nacht von ihm fernhalten wollte, so hätte sie das auch auf andere Weise tun können, ohne ein solch aufwendiges Drumherum.
Und wenn er glaubte, sie sei enttäuscht, weil ihre Beziehung sich auf eine rein körperliche Seite beschränkte, wenn er meinte, sie hätte etwas gegen die Beschränkungen, die er ihnen gesetzt hatte, so irrte er sich gewaltig. Sie wollte weder etwas von ihm noch von einem anderen Mann. Es gab in ihrem Leben im Augenblick keinen Platz für etwas anderes als ihr Engagement für die Umwelt.
Der Gedanke, frei zu sein, das tun zu können, was sie wollte, wann sie es wollte, gefiel ihr. Sie fand es wundervoll, kommen und gehen zu können, ohne dass ihr jemand Fragen stellte oder spöttische Kommentare abgab. Es war ein herrliches Gefühl, sich nicht um das Essen für einen anderen Menschen sorgen zu müssen oder um seine Kleidung, keinen Gedanken daran verschwenden zu müssen, was sie mit ihren Abenden anfangen sollte. Cammie hatte das Gefühl, zum ersten Mal seit Jahren die Kontrolle über ihr eigenes Leben zu haben.
Sie brauchte keinen Mann. Und ganz bestimmt nicht Reid Sayers.
Cammie runzelte die Stirn und starrte durch die Windschutzscheibe ihres Cadillacs. Ein älterer Mann in einem Pick- up winkte ihr zu, als sie an ihm vorbeifuhr. Sie hob automatisch die Hand und winkte zurück, obwohl sie im nächsten Augenblick feststellte, dass sie keine Ahnung hatte, wer dieser Mann überhaupt war.
Nun gut, gab sie in einem Anflug von Selbsterkenntnis zu, sie hatte Reid vermißt. Immer wieder ertappte sie sich dabei, dass sie in den unpassendsten Augenblicken an ihn dachte, an Dinge, die er gesagt hatte, Stimmungen, die sich auf seinem Gesicht widergespiegelt hatten, an die Art, wie das Licht und sein Lachen seine Augen zum Leuchten brachten. Es gab Augenblicke, da glaubte sie seinen Mund auf ihrem zu fühlen, seine Hände auf ihrem Körper. Es kostete sie viel Mühe, nicht an die Stunden zu denken, die sie in seinen Armen verbracht hatte.
Abgesehen davon traf sie die Erkenntnis, dass sie das Gefühl der Sicherheit vermisste , das er ihr Tag und Nacht vermittelt hatte. Wenn Reid bei ihr war, hatte sie sich vollkommen geborgen gefühlt. Mit ihm in ihrem Bett hatte sie besser geschlafen als seit ihrer Kindheit.
Es war eigenartig. Evergreen war ihr ans Herz gewachsen, sie kannte es und hatte sich sehr selten in ihrem Leben wirklich gefürchtet. Und dennoch musste sie auf eine unterschwellige Art wohl immer auf der Hut gewesen sein. Selbst als Keith noch bei ihr war, hatte sie sich nicht sicher
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