Verheißung Der Nacht
gefühlt. Ihr Mann hatte sich nur selten vergewissert, ob die Türen und Fenster im Haus verschlossen waren, außerdem schlief er so fest, dass er nie diese eigenartigen Geräusche im Haus gehört hatte, die Cammie unruhig machten. Bei Reid war das ganz anders gewesen. In seiner Gegenwart hatte sie in ihrer Wachsamkeit nachlassen können, und das war ein wunderbares Gefühl.
Einen Beschützer zu vermissen war allerdings nicht das gleiche, wie sich nach einem Geliebten zu sehnen. Absolut nicht.
Oh, sie konnte sogar vor sich selbst zugeben, dass ihr guter Schlaf wahrscheinlich mit der Intensität der körperlichen Befriedigung zusammenhing, die sie erreicht hatte. Sicher war Reid auf diesem Gebiet wesentlich rücksichtsvoller gewesen, als Keith es je für nötig gehalten hatte.
Reid war darüber hinaus noch vieles andere gewesen: stark, großzügig, liebevoll, gebildet. In seinen Armen hatte sie Zärtlichkeit erfahren und auch eine wilde Verzauberung.
Das plötzliche, intensive und pulsierende Verlangen, das Cammie bei diesem Gedanken fühlte, überraschte sie. Mit Mühe zwang sie sich, an andere Dinge zu denken. Was hatte es für einen Zweck, diesem Gefühl freien Lauf zu lassen oder sich in Erinnerungen zu verlieren?
Es war besser, sich auf ihren Zorn zu konzentrieren. Allein der Gedanke, dass er versucht hatte, ihre Versammlung auszuspionieren - als wäre sie einer dieser Terroristen oder eine umstürzlerische Bedrohung für ihr Land -, versetzte sie in Wut. Was glaubte er denn überhaupt, wo er hier war, etwa in Israel? Er hatte weder das Recht, in ihr Privatleben oder in das ihrer Gäste einzudringen, noch sich unbefugt auf ihrem Grundstück aufzuhalten.
Obwohl sie vor sich selbst zugeben musste , dass es einen Bruchteil einer Sekunde gegeben hatte, in dem sie erleichtert gewesen war, ihn zu sehen.
Fred Mawley konnte auf seine aalglatte, beharrliche Art sehr anmaßend sein. Sie hatte sich bemühen müssen, ihn aus dem Haus zu bekommen, nachdem all die anderen schon gegangen waren. Er schien zu glauben, dass er ein Geschenk Gottes war für all die geschiedenen Frauen von Greenley und dass sie besonders froh sein sollte, ein solches Geschenk zu erhalten und es auszupacken. Die Gerüchte sagten, dass er immer bereit war, über einen Teil seines Honorars zu verhandeln, wenn eine Frau auch nur annähernd attraktiv war. Und nach den Andeutungen, die er ihr gegenüber geäußert hatte, nahm Cammie an, dass diese Gerüchte stimmten.
Eingebildete Männer konnte sie auf den Tod nicht ausstehen. Das war auch eine Eigenschaft, die sie Reid nicht vorwerfen konnte. Dabei hatte sie überhaupt kein Interesse daran, seine guten Eigenschaften aufzuzählen, er hatte mehr als genug schlechte, mit denen sie sich beschäftigen konnte.
Sie musste immer daran denken, dass Reid sie vor so vielen Jahren im Wald beobachtet hatte. Sie war damals so sicher gewesen, dass sie allein war, so sicher, dass ihre kindlichen Spiele, wenn sie mit einem Bettlaken um die Schultern hierhin und dorthin lief und vor sich hin summte, unbeobachtet blieben. Zu wissen, dass Reid all das beobachtet hatte, nahm ihren Spielen die Unschuld und ja, auch einiges von ihrem Vergnügen.
Wie die meisten Kinder war auch Cammie sehr erfindungsreich gewesen. Wahrscheinlich war sie einsam, obwohl sie so sehr daran gewöhnt gewesen war, dass es ihr nie bewußt geworden war. Als sie größer wurde, hatte sie Spielgefährten erfunden, manchmal Kinder aus der Schule oder auch Cousins, die sie bei Familienfesten gesehen hatte. Manchmal aber hatte sie sich auch völlig andere Menschen oder auch Tiere als ihre Freunde vorgestellt. In dem Sommer, in dem sie dreizehn wurde, hatte sie einen Jungen erfunden, groß, stark und blond. Sie hatten Nachlaufen gespielt, Brombeeren gepflückt. Sie hatte ihr Essen mit ihm geteilt, er hatte den Kopf in ihren Schoß gelegt, während sie mit dem Rücken gegen einen Baumstamm saß. Sie hatte ihm ihre Träume erzählt und ihre Ziele im Leben und davon gesprochen, wie sehr sie diese Wälder liebte. Er hatte ihr zugehört und war unendlich verständnisvoll gewesen.
War das der Sommer gewesen, in dem Reid ihr so nahe gekommen war, als sie im Wald gelesen hatte? War es möglich, dass sie seine Anwesenheit gefühlt hatte? Oder hatte sie einen Schimmer von ihm entdeckt, ohne zu wissen, dass er es war, und hatte ihn dann in ihre Traumwelt mit einbezogen? Hatte er all diese dummen, einfältigen Dinge gehört, die sie gesagt hatte, die Pläne,
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