Verheißung Der Nacht
das Haus zu bewachen. Er stand auf, als der erste Gast das Haus durch die Hintertür verließ. Schon bald folgte ein allgemeiner Aufbruch, und die Einfahrt wurde immer leerer.
Der letzte Gast, der nach Hause ging, war Mawley, der Anwalt. Eine Ewigkeit stand er an der Tür und erzählte Cammie irgendeine Geschichte, die immer wieder erforderte, dass er die Hand ausstreckte und ihren Arm berührte. Reid, der den Pavillon mittlerweile verlassen hatte und zur Hinterseite des Hauses gegangen war, beobachtete ihn aus dem Schatten neben der Garage. Der Mann war groß, er hatte von Silberfäden durchzogenes schwarzes Haar und ein schmales, aristokratisches Gesicht. Er trug eine schwarz eingefaßte Brille und hatte das ungezwungene Benehmen eines Mannes, der gut lebt und glaubt, er hätte es noch besser verdient.
Seinem Äußerem nach schien er eher den Namen Frederick verdient zu haben anstatt Fred. Reid, dem er nie vorgestellt worden war, mochte ihn auf Anhieb nicht.
Er fragte sich, ob Mawley wohl Cammies Scheidung in die Hand genommen hatte. Das würde natürlich diese lange Unterhaltung rechtfertigen. Doch es gab diesem Mann noch lange nicht das Recht, sich so nahe zu ihr zu beugen und so vertraulich mit ihr zu reden.
Cammie, offensichtlich bemüht, ihn loszuwerden, ging vor ihm von der Veranda hinunter zu seinem Wagen. Der Anwalt hatte noch immer etwas, das er ihr unbedingt sagen musste , und er redete ununterbrochen.
Cammies Stimme klang, als versuchte sie das Gespräch zu beenden, ohne allzu unhöflich zu sein. Sie bat ihn, sie anzurufen, wenn das neue Testament fertig war, dann machte sie ein paar Schritte auf das Haus zu. Der Anwalt streckte die Hand aus, legte sie auf ihren Arm und hielt sie zurück.
Reids Geduld war zu Ende. Er trat aus dem Schatten heraus und ging leise pfeifend über den Hof zur Einfahrt.
Über die Schulter des Anwaltes hinweg sah Cammie ihn. Ihr Mund öffnete sich sekundenlang, dann schloss sie ihn wieder, ihr Gesicht wurde ganz ausdruckslos.
»Eine schöne Nacht«, meinte Reid, als er nahe genug herangekommen war.
Der Anwalt wirbelte herum. Im Schein der Lampe über der Garage sah er überrascht aus, doch keineswegs erfreut.
Cammies Stimme klang gepresst . »Was tust du hier?«
»Ich gehe spazieren.« Reid bemühte sich, seiner Stimme einen leichten, ungezwungenen Klang zu geben.
»Das ist unerlaubtes Betreten.«
Reid antwortete ihr nicht, er blieb neben ihr stehen und sah ihren Gast voller Erwartung an.
Cammies gutes Benehmen gewann die Oberhand über ihren Ärger, ganz, wie er erwartet hatte. Sie stellte die beiden Männer einander vor.
»Ja, natürlich«, meinte Mawley und streckte Reid die Hand entgegen. »Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Es freut mich, Sie endlich persönlich kennenzulernen.«
Reid schüttelte ihm die Hand, und es gelang Mawley, seinen Sarkasmus zurückzuhalten. Es wäre nicht klug für einen Anwalt, unhöflich zu dem Mann zu sein, dem der größte Industriebetrieb in der ganzen Gegend gehörte.
Er wandte sich wieder zu Cammie. »Ich werde Sie später in der Woche anrufen, ja? Dann können wir alles noch einmal ganz genau besprechen. Inzwischen halten Sie mich bitte auf dem laufenden.«
Sie stimmte zu und verabschiedete sich von ihm, ohne Reid auch nur eines Blickes zu würdigen. Der Anwalt stieg in seinen grauen Porsche und fuhr davon.
»Du wolltest meine Versammlung ausspionieren«, sagte Cammie und stützte beide Hände in die Hüften, als sie sich zu Reid umwandte.
Ihre schnelle Bewegung und eine leichte Brise ließen Reid den Duft nach Gardenien und einem warmen, sauberen Frauenkörper in die Nase steigen. Das Verlangen, das abrupt in ihm erwachte, traf ihn wie ein Schlag in den Magen. Seine Augen wurden feucht, jeder einzelne Muskel seines Rörpers spannte sich an, und das Herz hämmerte gegen seine Rippen. Verwundert fragte er sich, ob sie die plötzliche Hitze fühlen oder riechen konnte, die wie eine Woge über ihn hereingebrochen war.
»Ich?« fragte er betont harmlos. »Warum sollte ich so etwas tun?«
»Du hast Angst davor, dass ich dir einen Knüppel zwischen die Beine werfen könnte, und du möchtest mich davon abhalten.«
Lange sah er sie an, ehe er dann leise sprach: »Wenn ich mich dazu entscheide, die Papierfabrik zu verkaufen, Cammie, dann werde ich das auch tun. Was du tust, hat auf meine Entscheidung keinen Einfluss , ich beuge mich grundsätzlich keinem Druck.«
»Das werden wir ja sehen«, meinte sie und verschränkte
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