Verheißung des Glücks
Sie hatte schließlich viele Jahre lang mit dieser Vorstellung gelebt. Möglicherweise fehlte ihr nur ein guter Grund, um zurückzukommen. Er beschloss, einen Versuch zu wagen. Schließlich hatte er nichts mehr zu verlieren.
»Meli, es ist Zeit, dass du aufwachst, damit wir endlich heiraten können. Deine Eltern haben nun keine Einwände mehr.« Aber das klang noch nicht zuversichtlich genug. »Wir haben jetzt ihren Segen und können uns trauen lassen, sobald du wieder bei uns bist.«
Beinahe unmerklich zuckte Melissas Finger an seiner Schläfe. Lincolns Herz machte vor Aufregung einen Sprung. Doch schon verließ ihn wieder die Hoffnung.
Melissas Augen starrten noch immer mit leerem Blick in die Ferne. Es war nur ein Muskel gewesen, ein unkontrollierter Reflex, keine absichtliche Bewegung. Die Enttäuschung schnürte Lincoln die Kehle zu.
Er küsste Melissas Handfläche. Ihre Haut hatte sich an seiner Wange erwärmt.
»Wirklich?«
Er heftete seinen Blick flugs auf ihre Augen. Melissas Stimme klang schwach und rau. Aber sie sah ihn an. Sie war wieder da. Er wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Am liebsten hätte er beides getan. So aber stieß er freudig hervor: »Ja!«
Die Tür flog auf und der halbe MacGregor Clan mitsamt den MacFearson-Brüdern stürzte in den Raum. Wem es gelungen war, einen Platz zu ergattern, hatte sich an der Tür zu Melissas Zimmer die Ohren platt gedrückt und heimlich gelauscht, was drinnen vor sich ging. Aber niemand hatte damit rechnen können, dass Lachlan bei Lincolns Schrei sofort die Tür aufstoßen würde.
Kimberly warf sich zu Melissa aufs Bett und brach vor Erleichterung gleich wieder in Tränen aus, während Lachlan Lincoln beiseite nahm. »Wie haben Sie das gemacht?«
»Ich habe sie angelogen«, sagte Lincoln in einem Ton, der alles andere als reumütig klang. »Ich habe ihr gesagt, Sie hätten uns Ihren Segen gegeben und wir könnten heiraten.«
Lachlan brauchte einen Augenblick, um das Gehörte zu verdauen. Dann begann er zu lachen. »Das war keine Lüge, Junge. Meine Entscheidung fiel in dem Augenblick, als ich hörte, dass sie in den See gesprungen ist — für Sie. Gegen eine solche Liebe ist nun einmal kein Kraut gewachsen. Komme, was da wolle, meine Tochter braucht Sie, um ein ganzer Mensch zu sein.«
Lincoln h örte es mit Dankbarkeit. Aber noch viel wichtiger war ihm, das Melissa zurückgekehrt war. Ihr Geist und ihre Seele waren wieder bei ihnen und hatten auf ihrer Reise keinen Schaden genommen. Den Gedanken, dass Melissa sich vielleicht nie wieder erholen würde, hatte er zwar nicht zugelassen, aber die Furcht um sie hatte sich dennoch tief in sein Herz gegraben.
Nun schob Lincoln sich zwischen all den Menschen hindurch, die um Melissas Bett standen, und hörte Adam sagen: »Was ist mit deiner Stimme passiert, Mädchen?«
»Ich glaube, das kommt vom Schreien. Ich habe so laut nach Hilfe gerufen. Jetzt bin ich heiser, aber vielleicht hilft ein Glas Wasser.«
»Man sollte meinen, du hättest vom Wasser erst einmal genug«, sagte Johnny. »Was hältst du statt dessen von einem ordentlichen Schluck Whiskey?«
»Man sollte dir die Ohren lang ziehen, Johnny!«, schimpfte Kimberly. »Geh und sag dem Koch, wir brauchen Kräutertee mit Honig. Das ist genau die richtige Medizin für eine belegte Stimme.«
Johnny verließ widerwillig das Zimmer, entdeckte draußen zu seinem Glück einen Diener und gab die Bestellung an ihn weiter. Gleich darauf war er zurück. »Das scheußliche Zeug kommt gleich.«
»Aber nun sag doch, was ist denn eigentlich passiert?«, fragte Adam. »Du kannst doch schwimmen. Warum bist du dann untergegangen?«
Melissa errötete und nun kehrte endlich eine frischere Farbe in ihre Wangen zurück.
»Irgendetwas strich an meinem Bein entlang. Wahrscheinlich war es nur mein Rock. Aber ich habe mich fürchterlich erschreckt. All meine Albträume schienen plötzlich wahr zu werden. Vermutlich habe ich deshalb das Bewusstsein verloren.«
»Im Wasser ohnmächtig zu werden, ist aber keine gute Idee«, monierte Ian Six. Die bangen Minuten, in denen er zum See gerannt war, um Melissa zu helfen, obwohl er wusste, dass er zu spät kommen würde, hatten ihn um Jahre altern lassen. Und dann hatte er ihre leblose Gestalt am Ufer liegen sehen ...
»Jetzt, wo du es sagst ...« Sie grinste ihn an.
»Machst du schon wieder Witze?«
Sie griff nach seiner Hand und drückte sie. »Ich bin nur so glücklich, weil ich jetzt weiß, dass es den Drachen
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