Verheißung des Glücks
nicht mehr gibt. Aber vielleicht war er auch nur gerade anderweitig beschäftigt und bemerkte mich nicht. Ach, im Augenblick finde ich einfach alles lustig.«
»Du glaubst doch nicht etwa immer noch an dieses Vieh?« Ian Four schüttelte den Kopf.
»Ich weiß, es gibt keinen Drachen. Als logisch denkende erwachsene Frau weiß ich das. Aber meine Kinderseele weigert sich, es ebenfalls zu glauben. Nein. Das war ein Scherz. Den Drachen gibt es nicht mehr. Das verdanke ich nur meinem Line.«
Lachlan hatte nicht zu den Lauschern an der Tür gehört und fragte nun: »Und wie hat er das gemacht?«
»Er sagte, er hätte ihn getötet.«
»So. Und du glaubst ihm.«
»Klar.«
Lachlan legte zweifelnd die Stirn in Falten. Aber Melissa lächelte ihn an. »Man glaubt das, was man glauben will, Dad. Ich werde nun für alle Zeiten das Bild vor mir sehen, wie der Drache auf den Grund des Sees sinkt — mausetot versteht sich. Dort unten verrottet er jetzt im Schlamm. Natürlich weiß ich, dass es ihn nie gab. Aber meine Kinderseele glaubt das nun endlich auch.«
Neunundvierzigstes Kapitel
Lincoln fand es merkwürdig, dass er von MacFearsons umgeben war und dabei nicht ständig von allen feindselig angestarrt wurde. Noch merkwürdiger aber war es, wenn kein einziger MacFearson ihn mit finsteren Blicken maß. Die Friedfertigkeit der sonst so reizbaren Brüder war Lincoln beinahe ein wenig unheimlich. Schließlich hatte sich an dem ursprünglichen Grund ihrer Ablehnung ja nichts geändert. Lincoln wagte nicht zu hoffen, dass sie nun Melissas Gefühlen den Vorrang vor ihren eigenen Befürchtungen geben würden.
Da Lachlan der Verbindung zwischen Lincoln und Melissa seinen Segen gegeben hatte, machten sich einige MacFearson-Brüder bereits auf den Nachhauseweg. Nur etwa die Hälfte von ihnen hielt sich noch in Kregora auf; sie würden wohl erst nach der Hochzeit aufbrechen. Lincoln fragte sich, ob sie ihm etwa noch immer nicht über den Weg trauten. Aber vielleicht hatten sie auch ganz einfach keine Frauen, die auf sie warteten. Oder sie fanden das Leben in Kregora schlichtweg unterhaltsamer und unbeschwerter als auf dem düsteren Anwesen ihres Vaters.
Lincoln gab keinerlei Kommentar zu dem deutlich wahrnehmbaren Sinneswandel der MacFearsons ab. Manchmal schien es ihm, als hätten die Brüder ihn tatsächlich bereits in die Familie aufgenommen, ganz so wie sie es — sollte es ihm tatsächlich gelingen, ihre Nichte zu heiraten — angekündigt hatten. Zwar stand die Hochzeit noch aus, aber der Segen eines Clan-Oberen war für sie so gut wie das Jawort in der Kirche. Lincoln durfte sich also als einer von ihnen betrachten. Welche Ehre.
Doch so leicht würde er ihnen nicht verzeihen. Dessen war er sich sicher. Immerhin war er als Kind von ihnen halb tot geschlagen worden; und dann hatte er wegen ihnen seinen besten Freund verloren. Die MacFearsons hatten sich damals lediglich auf ihre Art von einem lästigen kleinen Plagegeist befreit. Er hingegen hatte durch die Vorfälle nach dem Streit mit Dougall sein Zuhause und nicht zuletzt seine Mutter verloren.
Nein, er würde ihnen niemals vergeben. Daran gab es für Lincoln keinen Zweifel, bis nach ein paar Tagen plötzlich Dougall vor ihm stand.
Zum ersten Mal seit all den Jahren waren Lincoln und Dougall miteinander allein. Es war schon spät und eigentlich Zeit, zu Bett zu gehen. Lincoln hatte sich gerade von Lachlan verabschiedet, der ihn regelmäßig augenzwinkernd über den Stand der Hochzeitsplanungen informierte, die Melissa und ihre Mutter nun mit Feuereifer vorantrieben.
Den Vortag hatte Melissa noch im Bett verbracht. Schon der kurze Ausflug in den Speisesaal vor ein paar Stunden hatte sie sehr ermüdet. Es war nicht von der Hand zu weisen: Der Hauch des Todes hatte sie gestreift und sie war noch sehr geschwächt.
Lachlan schickte seine erschöpfte Tochter auch bald wieder ins Bett und nahm den Brautleuten damit jede Möglichkeit, noch einmal in aller Ruhe miteinander zu reden. Melissas Zimmer würde Lincoln erst wieder betreten dürfen, wenn sie verheiratet waren.
Vor dem Zubettgehen leerte Lincoln ein Glas warmen Brandy, mit dem er das erneute Aufflammen seiner Erkältung bekämpfte. Das unfreiwillige Bad im kalten Seewasser war auch an ihm nicht ganz spurlos vorbeigegangen. Der warme Brandy würde ihm einen ruhigen, tiefen Schlaf bescheren und das Kratzen im Hals vertreiben.
Kaum hatte Lachlan sich zur Ruhe begeben, erschien Dougall im Salon. Offenbar hatte er
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