Verheißung des Glücks
konnte Melissa Lincoln Burnett nicht mehr aus ihren Gedanken verbannen, was sie jedoch nicht weiter beunruhigte. Schlimm würde es erst werden, falls sie ihn nie wiedersah. Womöglich überschattete die kurze Begegnung mit ihm nun die Suche nach einem Ehemann, ja, vielleicht sogar ihren gesamten Aufenthalt in London. Was, wenn sie nun sämtliche Männer, denen sie vorgestellt wurde, mit ihm verglich? Schon jetzt wusste sie, dass sie genau das tun würde. Diesen Vergleich konnte keiner bestehen. Kein anderer Mann würde so gut aussehen, so groß sein wie Lincoln Burnett. Mit keinem anderen würde sie so entspannt plaudern können ...
Melissa beschloss indessen, sich keine allzu großen Sorgen zu machen, denn bestimmt würde sie ihm wieder begegnen. So deutete sie jedenfalls seine Abschiedsworte. Womöglich hatte sie ihm genauso gut gefallen wie er ihr. Sie mussten einander also einfach wiedersehen. Es ging gar nicht anders.
»Lincoln Burnett« — leise flüsterte sie seinen Namen und schüttelte dann über sich selbst den Kopf. Seit sie ihn getroffen hatte, wurde sie dieses dämliche Lächeln auf ihrem Gesicht nicht mehr los. Melissa kämpfte noch immer dagegen an, als ihr ältester Onkel, Ian One, sie am nächsten Morgen nach Hause fuhr.
Den Namen Ian trugen insgesamt sechs ihrer Onkel. Außenstehenden mochte das recht sonderbar vorkommen. In ihrer Familie wunderte sich jedoch niemand darüber. Alle Ians stammten von unterschiedlichen Müttern, die für ihre Söhne nun einmal diesen Namen ausgesucht hatten. Der Vater der Jungen war dabei nicht nach seiner Meinung gefragt worden. Die Ziffern hatten die Brüder schließlich selbst hinter ihre Vornamen gehängt, um allzu viele Verwechslungen zu vermeiden, wenn sie alle beieinander waren. War aber nur ein Ian anwesend, so begnügte man sich mit dem Namen und ließ die Zahl einfach weg.
»Du bist heute sehr still«, ließ Ian nach einer Weile verlauten. »Fürchtest dich wohl schon ein wenig vor London.«
»Nein, gar nicht«, versicherte ihm Melissa.
Dieser Ian, nur ein Jahr jünger als ihre Mutter, war eher ein zweiter Vater als ein Onkel für sie. Sie vertraute ihm also nicht unbedingt Dinge an, die sie auch ihrem Vater nicht sofort auf die Nase binden würde. Ganz anders verhielt es sich mit ihrem jüngsten Onkel, Ian dem Sechsten, der nur acht Jahre älter war als sie. Ihn betrachtete Melissa als eine Art Bruder, und mit ihm teilte sie so manches, was sie bewegte. Ian Six hätte sie vertrauensvoll von ihren Tagträumen rund um Lincoln Burnett erzählen können, hätte ihm berichten können, was Lincoln gesagt und was sie dabei gefühlt hatte. Aber Ian Six war im Augenblick nicht zu Hause.
Dann fiel Melissa ein, dass ihr Begleiter, der ja der Älteste ihrer Onkel war, sich vielleicht an die Zeit erinnerte, als Lincoln noch in der Nachbarschaft gelebt hatte. Es gab ja so viele Fragen, die sie beantwortet haben wollte; Fragen, die ihr erst eingefallen waren, nach dem Lincoln fortgeritten war.
Sie wusste nicht, wie lange sein Besuch im Hochland dauern würde, wusste nicht, wo er in England wohnte. Genau genommen war sie nicht einmal sicher, ob er überhaupt in England lebte. Aber alles an ihm, nicht zuletzt sein Akzent, sprach dafür. Was für ein unglaubliches Pech, wenn er womöglich einen längeren Besuch im Hochland plante, wo sie doch bereits in wenigen Tagen nach London aufbrach. Dann würde sie während der ganzen Zeit seines Besuches nicht zu Hause sein und käme wahrscheinlich erst wieder, wenn er gerade nach England zurückgekehrt war.
Die Reise nach London konnte Melissa allerdings unmöglich absagen, obwohl sie das nun am liebsten getan hätte. Schon viel zu lange war alles minutiös geplant worden, und ihre Eltern hatten ein kleines Vermögen für ihre neue Garderobe ausgegeben. Abgesehen davon war Lincolns Besuch im Hochland vielleicht von kurzer Dauer. Es konnte sogar sein, dass sie ihn in London wieder traf. Vielleicht lebte er sogar dort. Warum hatte sie ihn nur nicht gefragt?
Die meisten ihrer Fragen konnte Ian ihr wohl nicht beantworten. Aber vielleicht wusste er ja doch ein paar Dinge über Lincoln. Im Augenblick war Melissa jede noch so unwichtig scheinende Kleinigkeit willkommen, die sie über ihn in Erfahrung bringen konnte. Sie beschloss, nicht lange um den heißen Brei herum zu reden, und fragte: »Sagt dir der Name Lincoln Burnett etwas? Er muss früher in eurer Nähe gewohnt haben.«
»Burnett? Klingt nach einem Amerikaner. Oder ist
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