Verheißung des Glücks
in dem bewussten Haus. Der Butler ließ sich gerade noch herbei, Lincoln das zu bestätigen, bevor er ihm die Tür vor der Nase zuschlug. Lincoln klopfte nicht noch einmal an. Er wusste, dass es zwecklos war. Eine schriftliche Einladung konnte er nicht vorweisen, und seine Frage, ob Melissa überhaupt hier wohne, hätte auch einem weniger erfahrenen Butler sofort verraten, dass vor ihm ein Fremder stand, der im Haus seiner Herrschaft nichts verloren hatte.
Auf seinem Weg zurück ins Stadthaus der Burnetts wurde Lincolns Laune mit jedem Schritt verdrießlicher. Er hatte ohnehin nicht hoffen dürfen, Melissa bei sämtlichen Einladungen, die er mit Edith besuchte, anzutreffen. Doch nun würde er sie höchstwahrscheinlich gar nicht zu Gesicht bekommen, und er konnte sie auch nicht einfach aufsuchen. Leute vom Rang der St. James standen nun einmal mehrere gesellschaftliche Stufen über ihm und hatten entsprechende Freunde und Bekannte. Die Feste und Bälle, die sie besuchten, gehörten zum Erlesensten, was die Saison zu bieten hatte.
Zu seinem Leidwesen kannte Lincoln niemanden, der ihn in diese erlauchten Kreise einführen konnte. In den vergangenen Jahren hatte er sich meist in einer Gruppe von trinkfesten und spielfreudigen Junggesellen bewegt, wo man mit großen Ballabenden und Opernbesuchen nicht viel im Sinn hatte. Die Einladungen, die Tante Henriette für ihre Tochter annahm, kamen bedauerlicherweise meist aus ihrem eigenen Bekanntenkreis. Bei diesen mehr oder weniger festlichen Zusammenkünften wimmelte es nur so von Müttern heiratswütiger Töchter, die eifrig ihre Netze nach Lincoln auswarfen. Doch Verbindungen, die ihm bei seiner Suche weiterhalfen, konnte er dort nicht knüpfen.
Er galt als gute Partie, denn er trug einen Titel und war nicht als arm verschrien. Sprach sich erst einmal herum, dass er Ediths Anstandswauwau war, würden seine Kusine und er sich vor Einladungen bald nicht mehr retten können. Aber das brachte ihn im Augenblick nicht weiter. Wollte man in die höchsten Adelskreise vordringen, so musste man die richtigen Leute kennen. Und die würde er in seiner Rolle als Ediths Begleiter sicher nicht treffen.
Zum Teufel, warum wurde es ihm denn so schwer gemacht, um Melissa zu werben?
Henriette, der stets aufmerksame Beobachterin, entging die Verdrießlichkeit ihres Neffen nicht. Sie kannte ihn gut genug, um seine finstere Miene nicht allein dem Umstand zuzuschreiben, dass Eleanor an diesem Abend mit ihnen ins Theater ging.
»Du machst ein Gesicht, als hättest du deinen besten Freund verloren, mein Junge. Hast du heute etwas Unerfreuliches erlebt, von dem ich noch nichts weiß?«
»Reicht es, wenn ich dir sage, dass Melissa MacGregor ausgerechnet beim Duke und der Duchess von Wrothston zu Gast ist? Das ist in der Tat kein Grund zum Jubeln, wie du wahrscheinlich zugeben wirst.«
»So, so, bei Ihren Gnaden also. Das Mädchen kann sich glücklich schätzen. Aber wo liegt das Problem?«
»Wir kennen niemanden aus diesen Kreisen.«
»Wohl wahr«, antwortete Henriette. »Aber du kennst doch das Mädchen.«
»Nur das, ist nicht genug, liebe Tante Hemy, um mir die Tür zum Haus der St. James zu öffnen.«
»Sie ist wohl verbarrikadiert, hm?«
»So gut wie.«
»Nun ja, das erleichtert die Sache nicht gerade.« Henriette schnaubte ungeduldig. Dann sagte sie: »Ich werde morgen Nachmittag ein paar Besuche machen und sehen, was ich in Erfahrung bringen kann. Leider bin ich nicht mehr ganz auf dem Laufenden, was das Spiel >Wer-kennt-wen-der-jemanden-kennt< betrifft. Aber es sollte nicht allzu schwierig sein, die eine oder andere hilfreiche Information zu bekommen.«
Lincoln nickte. Er hatte gute Lust, sich einfach an dem hochnäsigen Butler vorbei ins Haus zu drängen und darauf zu bestehen, dass man ihn zu Melissa ließ. Aber damit würde er einen Skandal verursachen und seinem Vorhaben wahrscheinlich mehr schaden als nützen. Noch dazu wäre ihm durch eine solche Unverfrorenheit der Zorn des Dukes gewiss; und es war wirklich nicht besonders klug, es sich mit einem solchen Mann zu verderben. Blieb noch die Möglichkeit, wie ein Bettler mit dem Hut in der Hand auf der Straße vor dem Haus des Dukes und der Duchess herumzulungern und darauf zu warten, dass er vielleicht einen Blick auf Melissa erhaschen konnte, wenn sie kam oder ging. Das wiederum brachte Lincoln wirklich nicht über sich. Er musste sich etwas anderes einfallen lassen.
Eine etwas abenteuerliche Vorgehensweise konnte so
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