Verheißung des Glücks
nach ihm umzusehen, doch es war unmöglich, ihn im Auge zu behalten. Nun befand sie sich auch noch auf der entgegengesetzten Seite der Tanzfläche.
Sie entschuldigte sich bei Richard, der geistesgegenwärtig verhindert hatte, dass sie über ihre eigenen Füße fiel. Bald kamen sie wieder an der Stelle an, wo sie ihn hatte stehen sehen. Nun war er wieder verschwunden. Hatte sie sich nur eingebildet, dass er hier war? Sah sie nun schon Gespenster, nur weil sie sich mit aller Macht einen ganz bestimmten Menschen herbeiwünschte?
»Fühlen Sie sich nicht wohl?«, fragte Richard besorgt.
Sah man ihr etwa an, wie durcheinander sie war? »Doch — oder eigentlich ... ich weiß nicht recht. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich zur Duchess zurückzubringen? Diese grauenhaften neuen Schuhe, ich glaube, ich habe schon Blasen an den Füßen.«
Das war natürlich gelogen und noch dazu nicht besonders elegant. Richard nickte, ohne etwas dazu zu sagen, und brachte Melissa zu Justin. Megan tanzte gerade mit einem alten Freund der Familie. Richard Sisley erklärte höflich, warum er Melissa zurückbrachte und entschuldigte sich dann.
Justin sah, wie er geradewegs auf eine andere junge Dame zusteuerte und ein Gespräch mit ihr begann. »Du magst ihn nicht«, sagte er vorwurfsvoll.
»Nun mach doch kein so böses Gesicht! Wie soll ich es fertig bringen, ihn zu mögen, wenn mir die ganze Zeit ein anderer Mann im Kopf herumgeht.«
»Welcher andere Mann denn?«
»Es ist ... der da.«
Da stand er, keine zehn Schritte von ihr entfernt, und starrte sie an, als habe er einen verloren geglaubten Schatz wieder gefunden. Wahrscheinlich las er in ihrem Blick dasselbe wie sie in seinem. Melissa konnte nur hoffen, dass man ihr ihre gewagten Gedanken nicht ansah. Sie spürte, wie sie puterrot wurde, merkte, wie ihr Puls zu rasen begann. Vor lauter Aufregung hielt sie den Atem an. Das durfte sie nicht tun. Wenn sie nun in Ohnmacht fiel, würde sie sich das nie verzeihen.
Sie konnte sich nicht vorstellen, was ihn so lange von ihr fern gehalten hatte. Sicher würde er es ihr erklären, wenn er gleich zu ihr herüberkam. Doch er machte keinerlei Anstalten, sich in Bewegung zu setzen. Nach ein paar Minuten, die Melissa erschienen wie eine Ewigkeit, glaubte sie schon fast, es würde nie geschehen.
Elftes Kapitel
Vor ihm stand nicht das Mädchen vom Lande in seiner schlichten Aufmachung, dessen Bild sich seit jener Begegnung am Teich in Lincolns Gedächtnis eingeprägt hatte. Fast hätte er sie nicht wieder erkannt, so eklatant war der Unterschied. Melissa trug ein atemberaubendes Ballkleid aus taubenblauem Satin. Perlenstickereien in Form einer Blumengirlande zierten den langen Rock, die spitz geschnittene Taille und den eckigen Ausschnitt dieses blauen Traumes. Auch die kurzen Puffärmel waren mit Perlen bestickt. Abgerundet wurde das überwältigende Bild, das Melissa bot, durch Handschuhe und Schuhe aus demselben Satinstoff und durch eine schlichte, jedoch äußerst elegante und gut sitzende Hochsteckfrisur.
Allein ihr Kleid war schlichtweg überwältigend - die ganze Frau war hinreißend. Was hatte er denn anderes erwartet? Schließlich verkehrte sie in den höchsten Adelskreisen. Mit der windzerzausten Bauernmaid aus dem Hochland, die er vom Fleck weg geheiratet hätte, hatte diese junge Dame nichts gemein. Offenbar war sie bereits vergeben. Neben ihr stand ein ungemein gut aussehender junger Mann mit der Ausstrahlung eines Prinzen. Die Art, wie sie sich einander zuwandten, verriet, welch tiefe Vertrautheit bereits zwischen ihnen bestand. Überdies hatte ihr Tanzpartner Melissa soeben zu diesem Mann zurückgebracht, was darauf schließen ließ, dass sie zu ihm gehörte.
Nun, ihr Vater hatte ja gesagt, sie käme bestimmt mit einem Bräutigam aus London zurück. Offenbar hatte sie keine Zeit verloren und ihren Plan sofort in die Tat umgesetzt. Dabei war dieser Märchenprinz viel zu jung für sie. Na ja, vielleicht nicht wirklich zu jung, aber eben höchstens in ihrem Alter. Lincoln fühlte sich plötzlich wie ein Greis.
Niedergeschlagen wandte er sich zum Gehen und bemerkte dabei nicht, wie blass Melissa unterdessen wurde.
Schon nach ein paar Schritten hielt Lincoln ein Arm, der sich um seine Schultern legte, zurück und eine aufgebrachte männliche Stimme raunte neben ihm: »Ich kenne Sie nicht und Sie kennen mich nicht. Aber für das, was Sie Meli gerade angetan haben, würde ich Ihnen am liebsten den Kopf abreißen.«
»Würden
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