Verheißung des Glücks
erträumt hatte. Beinahe vergaß er die Tanzschritte, so vertieft war er in ihren Anblick. Erst als die Tänzer in der näheren Umgebung anfingen, das sonderbar unbewegliche Paar neugierig zu mustern, erwachte Lincoln aus seiner Erstarrung.
Melissa sagte: »Ich fürchtete schon, nein, ich war mir fast sicher, dass ich Sie nie wiedersehen würde.«
»Auch ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben — seit ich wusste, wessen Gast Sie sind ...«
»Sie kannten meine Adresse und haben mich nie besucht?«
»Vielleicht ist Ihnen gar nicht bewusst, in welch erlauchten Kreisen Sie verkehren. Ohne eine offizielle Einladung Ihrer Gastgeber kommt kein Mensch am Butler des Hauses St. James vorbei.«
»Großer Gott, ich hatte wirklich keine Ahnung, dass es solche Hemmnisse gibt! Bei uns im Hochland legt man nicht so viel Wert auf Etikette. Man besucht einfach, wen man will.«
Auch in London hatten sich die strengen Konventionen des gesellschaftlichen Lebens schon vor Jahren gelockert, es sei denn, man trug einen ähnlich hohen Adelstitel wie den eines Dukes oder einer Duchess. »Ich hoffe, Sie stellen mich Ihrer Gastgeberin vor, damit ich Sie in Zukunft gelegentlich besuchen kann.«
»Machen Sie doch kein so verzagtes Gesicht!«, sagte Melissa grinsend. »Megan St. James ist eine überaus liebenswürdige Dame und in Herzensdingen sehr verständnisvoll. Sie weiß auch bereits von Ihnen.«
»Ach tatsächlich?«
»Ich habe sie einmal gefragt, ob sie Ihren Namen kennt«, erklärte Melissa. Dabei errötete sie ein wenig.
»Was natürlich nicht der Fall war«, entgegnete Lincoln trocken.
»Das sollten Sie nicht persönlich nehmen. Die Duchess ist nicht gerade eine Gesellschaftslöwin. Die Familie St. James lebt das ganze Jahr über auf dem Land. In London sind meine großzügigen Gastgeber nur selten.«
»Wie kommen Sie denn überhaupt zu der Ehre, bei diesen Leuten wohnen zu dürfen?«, fragte Lincoln.
»Der Duke und die Duchess sind seit ewigen Zeiten mit meinen Eltern befreundet. Wahrscheinlich hätten sich meine Eltern ohne die beiden gar nicht kennen gelernt. Und zu Hause im Hochland hatte ich keine großen Aussichten auf einen Ehemann. Deshalb schlug Megan St. James vor, mich unter ihrer Obhut in London debütieren zu lassen.«
»Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass Sie im Hochland keinen Mann finden könnten«, sagte er.
Melissa errötete erneut, während sie erklärte: »Meine Familie wirkt auf die meisten jungen Gentlemen ein kleines bisschen einschüchternd.«
Lincoln dachte darüber nach. Wahrscheinlich hatte sie Recht. Sicher hätte auch er sich nicht so leicht damit getan, Lachlan MacGregor, ein Clan-Oberhaupt, um Erlaubnis zu bitten, Melissa den Hof machen zu dürfen, wenn er vorher gewusst hätte, dass sie seine Tochter war. Aber davongelaufen wäre er deshalb sicher nicht. Nun, offenbar gab es gewisse Junggesellen, denen bereits diese Hürde zu hoch war.
»Wie stark ist denn meine Konkurrenz?«
Die Frage war leichthin gestellt, aber Lincoln fürchtete die Antwort. In den vergangenen drei Wochen hatte Melissa reichlich Gelegenheit gehabt, die Creme de la Creme der Londoner Gesellschaft kennen zu lernen. Hin und wieder hatte Lincoln sich damit gequält, aus der Ferne zu beobachten, wem Einlass in das imposante Stadthaus des Dukes von Wrothston gewährt wurde. Aber vielleicht hatten die meisten Besuche ja in Wirklichkeit Justin und nicht Melissa gegolten. Woher hätte Lincoln auch wissen sollen, dass Melissas Gastgeber einen Sohn in ihrem Alter hatten?
Auch Melissa bemühte sich um einen unbekümmerten Ton. »Bisher ist mir niemand begegnet, den ich ermutigen wollte.«
»Könnten Sie sich vorstellen, mich zu ermutigen?«
Lincolns spielerischer Ton täuschte nicht darüber hinweg, wie ernst es ihm war. Er sah Melissa geradewegs in die Augen. Sein Griff an ihrer Hüfte und um ihre Hand wurde fester. Wieder vergaßen sie beinahe das Tanzen. Sie bewegten sich viel zu langsam für den beschwingten Takt des Walzers. Lincoln musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um Melissa nicht einfach mitten auf der Tanzfläche an sich zu reißen und zu küssen.
Würde er jemals mit ihr allein sein und diesem übermächtigen Drang nachgeben können? Würde er jemals mit ihr zusammen sein und dabei nicht diesen sehnlichen Wunsch haben? Sie war einfach zu überwältigend und wirkte — offenbar ohne sich dessen bewusst zu sein — sehr verführerisch. Noch nie hatte eine Frau ihn so in ihren Bann
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