Verheißungsvolle Küsse
Diener sah sie kommen und riss die Tür auf. Die Szene, die sich ihnen bot, wäre eine Farce gewesen, hätte sie sie nicht so seltsam berührt. Drei Diener standen in weitem Kreis um ein Kleinkind, das in einiger Entfernung vom Kamin auf dem Teppich saß. Der Knirps saß einfach da, mit mürrischem Gesicht, den Blick starr auf die dunklen Regale gerichtet, die den langen Raum säumten.
Das Kind war sofort als Almiras zu erkennen - dasselbe runde Gesicht mit dem fliehenden Kinn, derselbe rötliche Teint.
Sie lief an ihnen vorbei und raffte den Jungen in ihre Arme. Zu Helenas Überraschung zeigte Charles keinerlei Reaktion, richtete lediglich seinen stumpfen Blick auf Sebastian und sie.
»Schau her!« Almira hielt Sebastian den Jungen unter die Nase. »Du musst sie nicht heiraten - es ist nicht nötig! Du hast bereits einen Erben …«
»Almira!«
Das Wort klang wie ein Peitschenknall. Almira blinzelte, klappte den Mund zu.
Helena spürte, dass Sebastian seine Wut zügelte, und überlegte, welche Richtung sie jetzt einschlagen sollte. Inzwischen ließ er ihre Hand los, trat einen Schritt vor und nahm Almira beim Ellbogen. »Komm! Es ist an der Zeit, dass du zu dir nach Hause fährst.« Er drängte sie unmissverständlich zur Tür. »Mlle d’Lisle und ich werden auf Somersham heiraten! Du kannst Charles mitbringen und ihr beide nehmt an der Hochzeit teil. Helena wird meine Duchess, klar? Danach ist es für dich nicht mehr ziemlich, hier zu Besuch zu kommen, wenn wir nicht hier residieren. Hast du begriffen?«
Almira blieb stehen; selbst über die große Entfernung konnte Helena spüren, wie frustriert und verwirrt sie war. »Sie wird deine Duchesse …«
»Jawohl!« Sebastian hielt kurz inne, dann fügte er hinzu: »Und ihr Sohn ist mein Erbe!«
Almira schaute sich um, ihre Miene wurde hölzern. »Nun denn!« Sie hievte Charles ein Stück höher und wandte sich zur Tür, die ein Diener aufhielt. »Natürlich, wenn sie deine Duchess wird, brauche ich ja nicht mehr zu kommen und hier nach dem Rechten sehen …«
»In der Tat.«
»Also, auf Wiedersehen!« Almira verließ den Raum, ohne einen Blick zurück.
Sebastian machte ein Zeichen und die Diener - die alle ungeheuer erleichtert aussahen, wie Helena bemerkte - empfahlen sich rasch. Mit abwesender Miene schlenderte Sebastian wieder auf sie zu. Kopfschüttelnd bemerkte er: »Ich bedauere, dass du dich mit so etwas herumschlagen musst. Jedenfalls gibt es keinen noch schwierigeren Menschen, das versichere ich dir.«
Sie lächelte, fragte sich …
Er sah ihr in die Augen, dann seufzte er und nahm ihre Hände. » Mignonne , wir werden wesentlich besser miteinander auskommen, wenn du mir einfach deine Gedanken mitteilst, und mich nicht raten lässt.«
Helena zeigte Besorgnis, Verunsicherung.
Sein nächster Seufzer war weniger geduldig. »Du grämst dich schon wieder - weshalb denn jetzt?«
Beinahe musste sie lächeln, überlegte - dann entzog sie ihm ihre Hände, ging zu dem nahe gelegenen Fenster, einem breiten Erker mit Aussicht auf eine Rasenfläche. Die Büsche, die den Rasen umgaben, waren nass und schimmerten in dem Nieselregen.
Sie verdankte ihm so viel - ihre Freiheit und auch die von Ariele. Helena war mehr als bereit, ihm den Rest ihres Lebens zum Dank zu opfern - sich mit seinen diktatorischen Anwandlungen abzufinden, dieses Besitzergreifen, das ein so großer Teil von ihm war, zu ertragen. Das wäre der geringste Beitrag einer fairen Entgeltung.
Ja … vielleicht schuldete sie ihm sogar noch mehr.
Etwas, das nur sie ihm gewähren konnte.
Vielleicht schuldete sie ihm auch seine Freiheit …
»Du sagtest - neulich, auf Somersham - dass du mir eine Fragen stellen würdest, wenn ich einmal bereit wäre, sie zu beantworten.« Sie hob den Kopf, holte Luft, überrascht, wie schwer es ihr fiel. »Du sollst wissen, dass ich es verstehen würde, wenn du mir diese Frage, ehrlich, von Herzen, nicht mehr stellen willst.«
Sie hob die Hand, als er etwas erwidern wollte. »Mir ist klar, dass du heiraten musst - aber es gibt viele andere, die deine Duchess werden könnten. Andere, denen du nicht so … verpflichtet sein müsstest wie mir. Wie ich dir.«
Sie sah hinaus auf den Garten und zwang sich, mit ruhiger, klarer Stimme zu ergänzen: »Du wolltest nie heiraten, vielleicht weil du dich nie binden wolltest an eine einzige Person. In einer Ehe wirst du nie mehr frei sein - die Ketten werden immer da sein, uns halten, uns verbinden.«
»Und was ist mit
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