Verheißungsvolle Küsse
Fabien irgendjemandem aus irgendeinem Grund helfen würde.
Nachdem man ihr jetzt die Augen geöffnet hatte, sah Helena wesentlich mehr als zuvor. Bei Lady Crockfords Soirée an diesem Abend beobachtete sie, wie Sebastian auf sie zukam, doch unterwegs immer wieder von dieser oder jener Lady aufgehalten wurde. Bis dahin hatte sie angenommen, er wäre derjenige, der die Damen ansprach - jetzt sah sie, dass sie die Initiative ergriffen, nach seinem Lächeln schmachteten.
Sanfte Worte, dankbares Lächeln.
Die Ladys waren meist nicht von der Sorte, die ihm auffallen würden. Viele waren älter als er, andere zu ungeschickt oder hässlich, um Kandidatinnen für seine nicht ganz uneigennützige Aufmerksamkeit zu sein.
Mit einem zweischneidigen Schwert hatte er eine Schneise durch die Londoner Salons geschlagen. Einerseits schiere arrogante Männlichkeit und andererseits erstaunliche Güte.
Inzwischen begegneten sich ihre Blicke. Sie hatte Mühe, ein Schaudern zu unterdrücken.
Er gesellte sich zu ihnen, verbeugte sich, sprach ein paar Worte mit Marjorie und Louis, dann wandte er sich ihr zu. Eine Braue wölbte sich.
Spontan reichte sie ihm ihre Hand. »Sollen wir promenieren?«
Seine Miene war nachsichtig. »Wenn Ihr es wünscht.«
Sebastian führte Helena durch die Menge und versuchte, ihre Nähe zu ignorieren - der Hauch von Wärme ihrer schlanken Gestalt, die leichte Berührung ihrer Hand auf seiner. Versuchte das französische Parfum, das sie trug, zu ignorieren, das sie umschwebte und ziemlich unverblümt die Bestie lockte, ihn drängte, zuzupacken und zu verschlingen.
Die viele Zeit, die er mit ihr verbrachte, nagte an seiner Beherrschung, weckte Erwartungen und ließ sie doch unerfüllt. Nur seine absolute Abscheu davor, persönliche Angelegenheiten vor den Augen aller abzuwickeln, hinderte ihn daran, sie offen zu umwerben. Die Nachricht, dass er vorhatte zu heiraten, würde wie eine Bombe einschlagen. Aber wenn er noch ein paar Wochen wartete, bis kurz vor Weihnachten und die Gesellschaft die Hauptstadt verließ, dann konnte er die notwendigen Formalitäten für seinen Antrag und ihr Jawort ganz privat abwickeln.
Das hatte unendliche Vorzüge, insbesondere da er sich ihrer nicht ganz sicher war.
Überraschung und Herausforderung - sie blieb weiterhin beides.
Er nutzte seine Größe, musterte die Gäste und registrierte jeden Gentleman, der nützlich sein konnte, um die Zeit zu vertreiben - um sie abzulenken. Und er ging mit Bedacht Were aus dem Weg. Das war ein Fehler gewesen: Were war ein Freund. Und Sebastian bastelte sich ungern Peitschen für den eigenen Rücken. Helena würde keine weitere Gelegenheit bekommen, Were in Betracht zu ziehen - nicht, wenn er es verhindern konnte.
Gerade verließen sie eine Gruppe Ladys, die sich ihnen in den Weg gestellt hatte, als George aus der Menge auftauchte. Ein Blick in das Gesicht seines Bruders genügte, um zu wissen, dass Martin zumindest gegenüber einer Person den Mund geöffnet hatte.
Georges Freude war echt. Er strahlte Helena an und wartete nicht, bis er vorgestellt wurde. »Lord George Cynster, Comtesse.« Überschwänglich beugte er sich über die Hand, die sie ihm reichte. »Ich bin entzückt, Euch kennen zu lernen, ganz entzückt!« Das Funkeln in seinen Augen verriet, dass er nicht log.
»Und ich bin genauso erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen, Mylord!« Helena warf Sebastian einen amüsierten Blick zu. »Wie viele Brüder habt Ihr eigentlich, Euer Gnaden?«
»Zur Strafe für meine Sünden drei. Arthur, Almiras Ehemann, müsst Ihr noch treffen. Arthur und George sind Zwillinge. Martin ist der jüngste.«
»Keine Schwestern?« Helena richtete ihren Blick auf George. Er war nicht so groß wie Sebastian, aber von ähnlicher Statur - hatte dunklere Haare, aber dieselben blauen Augen. Dieselbe, irgendwie gefährliche Aura umgab ihn. Bei Martin war sie nicht so ausgeprägt, bei Sebastian mächtiger, offensichtlicher. Helena gelangte zu dem Schluss, dass sich die Charakterzüge mit Alter und Erfahrung verstärkten - sie schätzte George auf Anfang dreißig.
»Eine.«
Die Antwort kam von Sebastian. Helena hob den Kopf und sah, dass sein Blick auf die Menge hinter ihr gerichtet war.
»Und wenn ich mich nicht irre …«
Er trat zur Seite, streckte die Hand in die Menge und packte eine Lady, die gerade vorbeihuschte, am Ellbogen.
Die große, elegant gekleidete Dame, deren braune Haare hoch aufgetürmt waren, drehte sich mit hochmütig gelüfteten
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