Verheißungsvolle Küsse
Trutzwall, der irgendein sanfteres Leben dahinter beschützte.
Eine Beobachtung, die einem zu denken gab. Als die Kutsche vor der Freitreppe hielt, die zum Portal führte, konnte sie diesen Eindruck nicht abschütteln.
Thierry stieg als Erster aus, dann half er ihr aus dem Gefährt. Sie ging an ihm vorbei und gab sich Mühe, die Neugier, die sie packte, nicht zu zeigen - sich vor Sebastian zu verstecken, der herausgetreten war, als die Kutsche vorfuhr und jetzt lässig elegant, wie immer, die Treppe herunterstieg.
Sie reichte ihm ihre Hand. Er nahm sie und verbeugte sich, dann richtete er sich auf und zog sie an sich. Er drehte sich mit ihr um, ließ den Blick über die prächtige Fassade schweifen und lüftete seine Brauen. »Darf ich zu hoffen wagen, dass mein Zuhause Euer Wohlgefallen findet, mignonne ?«
Der Schwung seines Mundes, das Strahlen in seinen Augen verrieten, dass er ihre Anerkennung durchaus ahnte.
Helena hob ihr Kinn. »Ich habe noch nicht hinter die Mauern gesehen, Euer Gnaden! Es ist allgemein bekannt, dass Fassaden täuschen können.«
Ihre Blicke trafen sich, sein Lächeln wurde breiter und er neigte den Kopf. »In der Tat!«
Er wandte sich um, begrüßte Thierry und Marjorie, nickte Louis kurz zu, was dieser erwiderte; dann führte er sie ins Haus.
In der Eingangshalle stellte Sebastian ihnen seinen Butler vor, Webster, und die Haushälterin, eine Mrs. Swithins. Letztere war eine nicht aus der Ruhe zu bringende Matrone. Als sie von Helenas kranker Zofe erfuhr, versprach sie, ein Mädchen nach oben zu schicken. »Ich werde Euer Gepäck hinaufbringen und auspacken lassen, sobald es eingetroffen ist.«
»Bis dahin«, ordnete Sebastian an, »werden wir uns in den Salon begeben.«
»In der Tat, Euer Gnaden!« Mrs. Swithins machte einen Knicks. »Der Tee steht bereit - Ihr braucht nur zu läuten.«
Sebastian neigte den Kopf, die Vertraulichkeit der Frau schien ihn nicht zu stören. Helena schüttelte im Geist den Kopf. Obwohl es noch einige Zeit bis Weihnachten war, schwebte der Duft von Tannengrün durch die Luft. Ein Kranz aus Stechpalmenzweigen mit grellroten Beeren hing über dem riesigen Kamin an der Stirnseite der Halle.
Sie hatte fest damit gerechnet, dass sich die verheißungsvolle Wärme nur auf die Fassade beschränkte. Stattdessen … Wärme war es nicht, nicht im eigentlichen Sinn, sondern ein Gefühl von Frieden, von Harmonie, von Glücklichsein in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft - das die Wände ausstrahlten und sie freundlich willkommen zu heißen schienen.
Fabiens Festung, Le Roc, war kalt und kahl, dort hatte sie nie Wärme verspürt. Ihr eigenes Haus, Cameralle war … kühl. Sie versuchte sich an die Zeit zu erinnern, in der ihre Eltern noch gelebt hatten; vielleicht hatte es einmal ein ähnliches Gefühl von Frieden ausgestrahlt - aber das war verblasst, versickert, in den langen Gängen lag jetzt eine Art Abwarten.
Hier spürte sie dieses Abwarten auch; aber es war anders, erwartungsvoll, zuversichtlich, Glück und Freude gleichsam garantiert.
Ein Diener öffnete eine Tür. Sebastian führte sie hindurch. Sie verdrängte ihre versponnenen Gedanken, als sich eine kleine mollige Lady mit braunen Haaren und sanften braunen Augen von einer Bank erhob und das Buch, in dem sie gerade gelesen hatte, beiseite legte.
»Gestattet mir, Euch meine Tante, Lady Clara, vorzustellen!«
Clara lächelte herzlich und drückte ihre Hand. »Willkommen, meine Liebe! Es ist mir eine Freude, Euch kennen zu lernen!«
Helena erwiderte das Lächeln. Sie wollte einen Knicks machen; aber Clara hinderte sie daran, packte ihre Hand noch fester.
»Ich bin mir überhaupt nicht im Klaren, meine Liebe, wer hier den Vorrang hat. Wir wollen keine Verwirrung stiften - ich werde keinen Knicks machen, und Ihr auch nicht.«
Helena lachte und neigte den Kopf. »Wie Ihr wünscht!«
»Gut! Und Ihr nennt mich doch Clara, nicht wahr?« Sie tätschelte ihre Hand, dann begrüßte Clara Marjorie mit derselben zerstreuten Freundlichkeit und winkte sie zu ihren Plätzen.
»Bitte läute, Sebastian, und lasse Tee bringen.« Clara sank auf die Bank und dirigierte ihn zum Klingelzug. Jetzt stutzte sie kurz, angesichts von Louis und Thierry. »Aber vielleicht möchten die Gentlemen etwas Stärkeres?«
Thierry schüttelte leicht den Kopf und versicherte ihr, Tee wäre genau das Richtige.
Louis erbleichte bei dem Gedanken, etwas zu sich zu nehmen. »Nein - ich danke Euch. Für mich nichts!« Er zog sich in
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