Verheißungsvolle Küsse
einen Stuhl etwas zur Seite von der Gruppe und rang sich ein müdes Lächeln ab.
Sebastian gehorchte, und als Webster erschien, bestellte er den Tee. Es schien ihn nicht zu stören, dass Clara ihm Befehle erteilte. Seine Tante war offensichtlich auch jemand, der keine Ehrfurcht vor ihm hatte.
Sie setzten sich, um Konversation zu machen und der Tee wurde in exquisitem, hauchdünnen Porzellan serviert. Helena war versucht nachzuschauen; sie hielt es für ein Sèvres-Geschirr. Marjorie und Clara plauderten unbekümmert. Das Porzellan hatte Helenas Neugier geweckt, sie sah sich mit ganz neuen Augen im Raum um.
Es war genau, wie sie vermutet hatte: Jeder einzelne Gegenstand, den sie erblickte, zeugte vom Wohlstand seines Besitzers. Aber nicht nur das: die meisten Stücke waren nicht neu. Sie bescheinigten die langjährige überragende Stellung der Familie, den Luxus und den Reichtum, den Sebastian und Clara zweifellos für selbstverständlich hielten. Es handelte sich in der Tat um dieselbe Welt der Oberklasse, in die Helena selbst hineingeboren und in der ihr am wohlsten zu Mute war. Ihr fiel auf, dass sie sich bereits nach einer Stunde wie zu Hause fühlte.
Ihr Blick glitt zu Sebastian. Er saß vollkommen entspannt da und hörte offenbar Thierry zu, der Claras Bitte, alles über den Maskenball zu erzählen, nachkam. Doch seine Augen, unter den gesenkten Lidern, ruhten auf ihr.
Sie schaute weg, nippte an ihrem Tee, dann stellte sie die Tasse ab. Bewunderte wieder ihre Zartheit. Spürte die gepolsterte Fülle der Samtkissen in ihrem Rücken, den dicken Flor des Aubusson-Teppichs unter ihren Schuhen.
Verführung hatte viele Gesichter. Sebastian, da war sie sich sicher, kannte sie alle.
Kurz danach zeigte er Mitleid mit Thierry und Louis, und bot ihnen an, sie durchs Haus zu führen. Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, wandte sich Clara an sie. »Also, ich kann mir denken, dass Ihr etwas über Somersham erfahren wollt.«
Helena blinzelte erstaunt, dann nickte sie. »Bitte!«
Innerhalb von Minuten wurde ihr klar, dass sie in Clara eine feste Verbündete hatte. Die ältere Dame hatte offensichtlich auf den ersten Blick erkannt, dass sie die ideale Frau für Sebastian war - den sie, wie sich rasch herausstellte, abgöttisch liebte. Sie war seine Tante väterlicherseits, hatte jung geheiratet und war früh verwitwet. Nachdem sie fast ihr gesamtes Leben auf Somersham Place verbracht hatte, war sie mit jedem Aspekt der Führung dieses großen Landsitzes vertraut.
Bereitwillig strömte es aus ihr heraus. Helena hörte zu und merkte, wie sie mit hineingezogen wurde. Sie stellte Fragen, Claras Kenntnisse stillten ihren Wissensdurst. Ein Anwesen von dieser Größe zu leiten - und der Grundbesitz war ebenfalls beachtlich - stellte genau die Herausforderung dar, zu der man sie erzogen und die Fabien ihr bis jetzt versagt hatte. Sie mochte vielleicht weitläufige Ländereien besitzen sowie ein Château; aber als unverheiratete Demoiselle hatte sie unter der Obhut ihres Vormunds gelebt, zum größten Teil außerdem unter seinem Dach. Cameralle stand ihr zwar zur Verfügung, aber nur mit einem Minimum an Personal - nur so viele, damit das Haus für Ariele funktionierte, die sich oft dorthin zurückzog.
Sie war nie Gastgeberin gewesen, hatte nie Gelegenheit gehabt, sich selbst in dieser Arena zu testen, nie die Freuden gesellschaftlicher Triumphe genossen. Während sie zuhörte, wie Clara ihr die Aufgaben der Duchess von St. Ives in glühenden Farben schilderte, packte Helena der Hunger nach dieser Chance, gierte sie bereits nach der Position. Selbst die Erkenntnis, dass Sebastian wahrscheinlich einen solchen Ausgang in seine Pläne miteinkalkuliert hatte, dämpfte ihren Tatendrang nicht.
Sie war, wer sie war - schon längst hatte sie sich damit abgefunden, dass sie das nicht ändern konnte. Widerwillig hatte sie sich ebenfalls damit abgefunden, dass sie immer, wie Sebastian es ausgedrückt hatte, eine Trophäe für mächtige Männer sein würde. Während sie auf der Chaiselongue saß und Claras Schilderungen lauschte, wurde ihr mit einem Schlag alles klar. Wenn sie dies hier akzeptierte, gab es keinen Grund, nicht auch den Rest für sich zu beanspruchen - nämlich ihr Geburtsrecht als Gattin eines mächtigen Mannes einzufordern.
Jahrelanger Umgang mit Fabien bremste ihre Gedanken an diesem Punkt, gaben ihr die Kraft, sich aus ihren Träumen zu reißen.
Aber der Traum verweilte noch in ihrem Unterbewusstsein,
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