Verheißungsvolle Küsse
lassen. Sebastian erschwerte ihre Vorstellung, er war ein aufmerksamer Beobachter. Er saß entspannt in seinem riesigen Stuhl, die Finger um den Stiel seines Weinglases geschlungen und betrachtete sie unter halb geschlossenen Lidern.
Das Einzige, was ihr von dieser Stunde gut in Erinnerung blieb, war der Saphir, den er an seiner rechten Hand trug - wie er im Kerzenlicht blitzte, während seine Finger achtlos über das Glas strichen. Das Juwel hatte dieselbe Farbe wie seine Augen. Ebenso hypnotisierend.
Dann beendeten sie das Dinner. Sie konnte sich an nichts erinnern, was gesagt worden war. Alle erhoben sich und ihr wurde klar, dass die Herren bleiben würden, um ihren Portwein zu genießen. Erleichterung durchflutete sie. Das Lächeln, das sie Sebastian schenkte, als er ihre Hand losließ, fiel ihr etwas leichter.
Mit Clara und Marjorie zog sie sich in den Salon zurück. Als Sebastian zwanzig Minuten später mit Thierry und Louis eintrat, hatte sie sich wieder unter Kontrolle. Helena zwang sich zu warten, bis der Teewagen hereingeschoben wurde, bis alle ihren Tee genippt und geplaudert hatten. Sie wurde immer stiller.
Als Sebastian kam, um sie von ihrer leeren Tasse zu befreien, lächelte sie mühsam - für ihn, für alle.
»Entschuldigung, aber ich habe auch Kopfschmerzen.« Louis hatte sich bereits unter demselben Vorwand zurückgezogen.
Thierry, Marjorie und Clara murmelten ihr Bedauern. Sebastian beobachtete sie nur. Clara bot an, ihr ein Pulver zu holen.
»Ich werde mich jetzt hinlegen und richtig gut ausschlafen«, erwiderte sie, immer noch um Fassung ringend. »Sicherlich geht es mir bis morgen früh wieder gut.«
»Also, wenn Ihr Euch sicher seid, meine Liebe …«
Sie nickte, dann sah sie hoch zu Sebastian. Er nahm ihre Hand, half ihr sich zu erheben. Für die anderen machte sie einen Knicks, wünschte eine gute Nacht, dann wandte sie sich zur Tür. Sebastian hielt immer noch ihre Hand und begleitete sie.
Er blieb stehen, bevor sie an der Tür angelangt waren. Sie hielt ebenfalls an. Stellte sich seinen blauen Augen, spürte, wie sie in den ihren suchten. Dann hob er die andere Hand und strich mit der Fingerspitze über ihre Stirn.
»Schlaft gut, mignonne . Keiner wird Euch stören.«
Da war etwas in seinem Ton, in seinem Blick, als wolle er sie ermutigen, beschwichtigen … Sie war zu ausgelaugt, zu erschöpft, um die Botschaft zu ergründen.
Dann hob er ihre Hand, drehte sie und drückte seinen Mund auf die Stelle, wo ihr Puls am Handgelenk flatterte. Ließ seine Lippen verweilen, bis sie spürte, wie seine Wärme in sie floss. Er hob den Kopf und ließ sie los. »Süße Träume, mignonne !«
Sie nickte, machte einen Knicks. Ein Lakai öffnete die Tür, sie schlüpfte hindurch. Die Tür schloss sich leise hinter ihr. Erst jetzt war sie frei von Sebastians Blick.
Eigentlich wollte sie nur noch eins: ein Kissen, auf das sie ihren schmerzenden Kopf legen und ihren Gefühlen freien Lauf lassen konnte und allein sein, um ihr schweres Herz zu erleichtern. Sie erklomm die Treppe, durchquerte die Galerie und ging den Korridor hinunter zu ihrem Zimmer. Kurz bevor sie dort anlangte, bewegte sich ein Schatten. Louis trat ihr in den Weg, um sie abzufangen.
»Was ist denn?« Sie gab sich keine Mühe, ihren Ärger zu unterdrücken.
»Ich … ich wollte es wissen. Wirst du es tun?«
Fassungslos starrte sie ihn an. »Natürlich!« Dann begriff sie. Fabien ließ sich, wie immer, nicht in die Karten schauen. Louis wusste nicht, womit ihr Onkel ihr gedroht hatte. Nicht einmal er hätte eine so dumme Frage gestellt, wenn er es gewusst hätte.
»Onkel besteht darauf, dass du den Gegenstand holst - nicht ich!«
Louis’ dreister Ton hätte sie fast zum Lachen gebracht. Hysterischem Lachen. Er schmollte, weil Fabien ihre Talente nutzte, nicht seine.
Aber warum? Ihr Verstand hakte sich an diesem Punkt fest, betrachtete ihn von allen Seiten - dann begriff sie. Weil sie eine Frau war - eine Frau, die Sebastian begehrte. Offensichtlich war er zu stark gewesen für Fabiens Überredungskünste; also hatte Fabien in seiner üblichen Raffgier jemanden als seinen Dieb ausgesucht, dem es nicht nur gelingen würde, den Dolch zurückzuholen, sondern auch noch, durch diese Tat Sebastians Stolz zu verletzen.
Fabien würde alles tun, was in seiner Macht stand, um Monsieur le Duc eins auszuwischen. Dass er damit auch sie verletzte, kam ihm niemals in den Sinn oder beunruhigte ihn. In der Tat würde er das wahrscheinlich
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