Verheißungsvolle Küsse
Wort, dann hauchte sie: »dangereux«.
Bevor Helena etwas sagen konnte, hob Marjorie den Kopf, packte Mademoiselles Handgelenk und zischte: »Schau!«
Helenas Blick folgte Marjories zu dem Herrn, der soeben durch den Bogen aus dem Hauptsalon getreten war.
»Monsieur Le Duc de St. Ives!«
Ihr wilder Engländer, der mit den kühlen, machtvollen Lippen, sanft im Mondlicht …
Ein Bild von Eleganz, Arroganz, von Macht, stand er auf der Schwelle und musterte die Anwesenden. Bevor sein Blick sie erreichte, zerrte Marjorie Helena in die entgegengesetzte Richtung.
»Jetzt siehst du es. Dangereux !«
Helena sah es in der Tat und dennoch … sie erinnerte sich immer noch an den Kuss und das darin verborgene Versprechen - dass wenn sie sich hingeben würde, sie für immer auf Händen getragen würde. Elementar verführerisch - und es stellte die Schwüre jedes potenziellen Liebhabers in den Schatten. Ja, er war ein Verführer, hatte seine Kunst perfektioniert, daran bestand keinerlei Zweifel. Gefährlich - das musste sie zugeben; es wäre weise, Distanz zu bewahren.
Niemals würde sie so närrisch sein und einem mächtigen Mann entfliehen, nur um sich in die Hände des nächsten zu begeben. Freiheit war ihr viel zu kostbar geworden.
Glücklicherweise hatte Monsieur le Duc öffentlich kundgetan, dass er nicht zur kämpfenden Truppe gehörte.
»Gibt es hier noch irgendwelche andere, die ich in Betracht ziehen sollte?«
»Du hast Monsieur le Marquess kennen gelernt?«
»Tanqueray? Ja. Ich glaube nicht, dass er Monsieur le Comtes Bedingungen erfüllen würde. Nachdem was er angedeutet hat, ist er verschuldet.«
»Sehr gut möglich. Aber er gibt sich immer besonders stolz, also hab ich nichts davon gehört. Schauen wir mal …« Marjorie betrat einen anderen Salon, blieb stehen und sah sich um. »Hier kommt auch niemand in Frage, aber es ist für uns noch zu früh zu gehen. Das wäre eine Beleidigung. Wir müssen mindestens eine weiter halbe Stunde bleiben.«
»Also gut, noch eine halbe Stunde. Mehr nicht.« Helena ließ sich von Marjorie zu einer lebhaften Gruppe führen. Die Konversation war voll im Gange; aber als Neuankömmling beobachtete sie nur, hörte schweigend zu. Niemand kannte sie so gut, um zu wissen, dass Zurückhaltung sonst nicht zu ihren Tugenden gehörte; aber heute Abend gab sie sich damit zufrieden, den Mund zu halten und ihren Gedanken freien Lauf zu lassen.
Helena hatte es wirklich satt, Fabiens Bauer zu sein; doch das Gesetz und die Gesellschaft zwangen sie, sich seinem Diktat zu beugen, wodurch ihr die Hände gebunden waren. Dieser Londonaufenthalt bot ihr die vielleicht einzige Chance, dem zu entfliehen - eine Wende des Schicksals, die sie mit List und Tücke aufgegriffen hatte, und die sie entschlossen war zu nutzen. Mit Fabiens schriftlicher Erklärung, unterzeichnet und besiegelt, konnte sie jeden englischen Aristokraten ihrer Wahl heiraten - vorausgesetzt, er erfüllte Fabiens Forderungen hinsichtlich Stand, Besitz und Einkommen. Sie fand die Bedingungen vernünftig; es gab bestimmt englische passende Kandidaten.
Sie mussten einen Titel haben, etabliert und reich sein - sowie beherrschbar. Das vierte Kriterium hatte sie zu Fabiens dreien hinzugefügt, um den perfekten Ehemann für sich zu definieren. Unter keinen Umständen war sie bereit, die Marionette zu spielen, deren Fäden ein Mann zog. Wenn in Zukunft irgendwelche Fäden gezogen würden, dann von ihr .
Sie würde nicht heiraten, nur um das bewegliche Besitztum eines neuen Tyrannen zu werden - ein Ding ohne nennenswerte Gefühle. Fabien interessierten die Emotionen anderer Menschen nur, insoweit sie seine Pläne betrafen. Er war ein Despot, zerquetschte jeden, der sich gegen ihn wehrte, gnadenlos. Von Anfang an hatte sie ihn durchschaut und seine Obhut unbeschadet überstanden, weil sie ihn und seine Motive einzuordnen vermochte; gleichzeitig hatte sie gelernt, ihren Drang nach Unabhängigkeit zu bändigen.
Sie war nie so dumm gewesen, einen Kreuzzug anzutreten, den sie nicht gewinnen konnte. Aber diesmal war das Glück auf ihrer Seite. Sich von Fabien, von allen mächtigen Männern zu befreien, zeigte sich nun als erreichbares Ziel.
»Welch glücklicher Zufall, meine liebe Comtesse!«
Gaston Thierry tauchte neben ihr auf. In Anerkennung ihres Rangs verbeugte er sich tief und strahlte, als er sich wieder aufrichtete. »Falls du frei bist - ich habe eine Reihe von Bitten dich vorzustellen erhalten.«
Das Zwinkern in seinen Augen
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