Verheißungsvolle Küsse
einmal entfernt mit ihr verwandt; aber sie verkniff es sich, ihn hochmütig auf diese Tatsache hinzuweisen. Louis, dieses Nichts, spielte sich als ihr Hüter, der verlängerte Arm seines Onkels und Herrn, Fabien de Mordaunt, auf.
Louis konnte sie ignorieren. Aber sie hatte gelernt, nie Fabien zu vergessen.
Die dunklen Augen des lästigen Ankömmlings durchstreiften den Raum. »Hier wären ein paar aussichtsreiche Kandidaten!« Er beugte seinen gepuderten Kopf näher und murmelte: »Ich habe gehört, ein englischer Herzog ist anwesend. Unverheiratet. St. Ives. Du tätest gut daran dafür zu sorgen, dass du ihm vorgestellt wirst.«
Helena lüftete die Brauen und sah sich im Salon um. Ein Herzog. Louis war doch irgendwie nützlich. Er hatte sich den Plänen seines Onkels verschrieben und in diesem Fall verfolgten sie und Fabien dasselbe Ziel, wenn auch aus verschiedenen Beweggründen.
In der vergangenen sieben Jahren, ungefähr ab dem Tag, an dem sie der Engländer geküsst hatte - benutzte Fabien sie als Bauer auf seinem Schachbrett. Ihre Hand war eine Trophäe, die die mächtigen und reichen Familien Frankreichs allesamt begehrten. Sie konnte sich gar nicht mehr erinnern, wie viele Verlobungen schon eingefädelt wurden. Aber auf Grund des explosiven Zustands des französischen Staates und der Schicksalsschwankungen der aristokratischen Familien, die vollkommen abhingen von den Launen des Königs, hatte Fabien eine endgültige Verbindung nie wirklich für attraktiv gehalten. Wesentlich reizvoller war das Spiel, ihr Vermögen und ihre Person als Köder einzusetzen, um die Einflussreichen in sein Netz zu ziehen. Sobald er das, was er wollte, durch sie erreicht hatte, entließ er sie wieder in die Pariser Salons, um die Aufmerksamkeit einer nächsten Exzellenz zu erregen.
Sie wagte gar nicht daran zu denken, wie lange dieses Spiel noch weitergehen würde - bis sie mit grauen Haaren als Köder ausgedient hätte? Glücklicherweise, zumindest für sie, gebot die wachsende Unzufriedenheit in Frankreich Fabien Einhalt. Er war ein geborenes Raubtier mit gesundem Instinkt - und die Witterung im Wind gefiel ihm gar nicht. Sie war sich sicher gewesen, dass er bereits vor dem Entführungsversuch eine Änderung seiner Taktik erwogen hatte.
Das war beängstigend gewesen. Selbst jetzt, wo sie sich neben Louis mitten in einem modischen Salon außerhalb ihrer Heimat befand, musste sie gegen ein Schaudern ankämpfen. In den Obstgärten von Le Roc, Fabiens Festung an der Loire, war sie spazieren gegangen, als drei Männer angeprescht kamen und versuchten, sie zu entführen.
Sie hatten sie sicher beobachtet, den richtigen Zeitpunkt abgewartet. Helena hatte gekämpft, gestrampelt - vergeblich. Sie hätten sie geraubt, wenn da nicht Fabien gewesen wäre. Auf seinem Abendritt hatte er ihre Schreie gehört und war ihr zu Hilfe galoppiert.
Fabiens Macht über sie mochte ihr zuwider sein; aber er beschützte das, was er als Eigentum betrachtete. Mit seinen neununddreißig Jahren stand er noch voll im Saft. Einen der Männer hatte er erledigt, die anderen beiden waren geflohen. Fabien hatte sie gejagt, aber sie entwischten ihm.
An diesem Abend hatten sie und Fabien über ihre Zukunft diskutiert. Jede Minute des Gesprächs unter vier Augen war in ihrem Gedächtnis eingebrannt. Fabien hatte sie informiert, dass diese Männer von den Rochefoulds angeheuert gewesen wären. Wie Fabien, wussten die mächtigsten Intriganten, dass ein Sturm im Anzug war. Jede Familie, jeder Mann von Rang war darauf bedacht, so viele Güter, Titel und Pfründen wie möglich an sich zu raffen. Je weiter sie ihre Macht ausbauten, für desto größer hielten sie die Chance, den Sturm zu überstehen.
Sie war ein begehrtes Raubstück geworden. Nicht nur für die Rochefoulds.
»Ich habe von allen vier großen Familien sehr eindringlich formulierte Anträge um deine Hand erhalten. Von allen vieren!« Fabien hatte seine dunklen Augen auf sie gerichtet. »Wie du siehst, bin ich nicht vor Freude aus dem Häuschen. Diese Situation stellt ein unwillkommenes Problem dar.«
Ein Problem in der Tat, voller Risiken. Fabien stand nicht der Sinn danach, ihr Vermögen und seinen Einfluss irgendeiner der vier in die Hände zu spielen. Wenn er eine bevorzugte, würden ihm die anderen drei bei der ersten Gelegenheit die Kehle durchschneiden. Vielleicht nur indirekt, doch am Ende gar buchstäblich. All das hatte sie begriffen; die Beobachtung, dass Fabiens Machenschaften anfingen,
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