Verheißungsvolle Küsse
Kostüm-Party und auf dem Ball der Rawleighs. Wenn sie im Park spazieren ging, war er durch schieren Zufall da, flanierte dort mit zwei Freunden.
Wohin sie die nächsten vier Tage ihre Schritte auch lenkte, irgendwie gab es ihn immer ganz plötzlich.
Folglich überraschte sie es gar nicht, als er sich zu einer Gruppe gesellte, mit der sie im Ballsaal der Duchess of Richmond plauderte. Er tauchte dräuend zu ihrer Rechten auf und die anderen Gentlemen wichen feige zur Seite, als hätte er einen Anspruch auf diesen Platz. Helena verkniff sich ihren Ärger - auf ihn und auch auf die anderen - lächelte heiter und reichte ihm die Hand. Und wappnete sich gegen das Kribbeln, das sie von den Fingern bis zu den Zehen durchfuhr, als er ihr tief in die Augen sah und seinen Mund auf ihre Rechte drückte.
» Bon soir , meine Liebe!«
Es war ihr ein Rätsel, wie zweideutig so unschuldige Worte klingen konnten. War es das Strahlen in seinen blauen Augen, der verführerische Tenor seiner Stimme, oder die gezügelte Kraft seiner Berührung? Helena wusste es nicht; aber es gefiel ihr nicht, dass jemand ihre sinnlichen Saiten so geschickt zum Klingen brachte.
Dennoch lächelte sie weiter und ließ es zu, dass er sich neben sie stellte und sich ihrer Unterhaltung anschloss. Als die Gruppe sich auflöste, um die Runde zu machen, blieb sie zurück. Sie wusste, dass er sie beobachtete, immer wachsam. Nachdem er ihr nach kurzem Zögern seine Hand reichte, legte sie freundlich ihre Finger auf seine.
Sie setzten sich in Bewegung, aber schon nach ein paar Metern murmelte sie: »Ich möchte mit Euch sprechen.«
Helena sah ihm nicht ins Gesicht, ahnte aber, dass seine Lippen zuckten.
»Das hatte ich angenommen.«
»Gibt es hier irgendeinen Platz - in diesem Raum - für alle sichtbar, aber wo einen niemand belauscht?«
»Drüben, an der Seite befinden sich offene Alkoven.«
Er führte sie zu einem davon mit einer S-förmigen Liebesbank, die momentan frei war. Er setzte sie auf den Platz mit Blick zum Raum, dann ließ er sich lässig auf dem anderen nieder.
»Ich bin ganz Ohr, mignonne .«
Helena musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen. »Was habt Ihr vor?«
Seine fein geschwungenen Brauen hoben sich. »Vor?«
»Was genau hofft Ihr damit zu erreichen, dass Ihr mich auf diese Art und Weise verfolgt?«
Er sah ihr ernst in die Augen, aber sein Mund zuckte erneut. Jetzt hob er die Hand, legte sie theatralisch ans Herz. » Mignonne , Ihr verletzt mich tief.«
»Wenn ich das nur könnte!« Helena zwang sich, ruhig zu bleiben - mit knapper Not. »Und ich bin nicht Eure mignonne !«
Nicht sein Schoßhündchen, nicht sein Liebling.
Der Herzog lächelte nur - nachsichtig - als wisse er so viel mehr als sie.
Helenas Finger krallten sich um ihren Fächer, und sie musste sich bezähmen, ihn nicht damit zu schlagen. Sie hatte mit so einer Reaktion gerechnet - keiner Reaktion - und war darauf vorbereitet. Jedoch überraschte es sie, wie heftig sie sich ärgerte, wie leicht er sie aus der Fassung bringen konnte. Normalerweise war sie nicht so dünnhäutig, verlor nicht so schnell die Beherrschung.
»Wie Ihr ohne Zweifel erraten habt, so allwissend wie Ihr seid, bin ich auf der Suche nach einem Ehemann. Aber ich bin nicht auf der Suche nach einem Eroberer. Ich möchte das ein für alle Mal klarstellen, Euer Gnaden! Egal welche Absichten Ihr hegt, egal wie routiniert Ihr seid, es besteht keine Chance, dass ich Eurem legendären Charme erliege.«
Darüber hatte sie von einer besorgten Marjorie gehört und noch mehr aus Geflüster und verwunderten Blicken geschlossen. Selbst wenn sie sich, so wie jetzt, in aller Öffentlichkeit unterhielten - und sie nicht dreiundzwanzig und von edler Geburt wäre, liefe sie Gefahr, lockerer Moral bezichtigt zu werden.
Ihr Blick tauchte in seinen; sie wartete auf eine spöttische Bemerkung, irgendeine Herausforderung, ein Kreuzen der Klingen. Stattdessen betrachtete er sie nachdenklich und bedächtig, dehnte den Moment aus, bis er die Brauen eine Winzigkeit hob. »Glaubt Ihr nicht?«
»Ich weiß, dass ich es nicht werde.« Es war eine Erleichterung, die Zügel der Unterhaltung wieder aufzunehmen. »Für Euch gibt es hier nichts - keinerlei Hoffnung - also besteht kein Grund, dass Ihr ständig an meiner Seite klebt.«
Seine Lippen entspannten sich zu einem definitiven Lächeln. »Ich … äh, klebe an Eurer Seite, mignonne , weil Ihr mich amüsiert.« Er sah hinunter, zupfte die Spitze, die sich über eine
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