Verheißungsvolle Küsse
alles wuchs und wuchs, bis sie sich wand, seinen Namen auf den Lippen, ihr Körper ganz der seine. Schließlich barst das Kaleidoskop und sie wirbelte durch Entzücken, Fragmente greller Empfindungen trudelten durch ihre Adern und schmolzen zu köstlichster Lava, als sie zu guter Letzt alles losließ.
Ließ die letzte Verbindung zur Realität aus ihren Gedanken gleiten, gab ihre Seele der Wonne hin. Endlich war sie sich seiner Stöße tief in ihr bewusst, seines gedämpften Stöhnens, der Lust, die sie durchbrandete, als sein Samen sich tief in sie ergoss, der Freude, die sie durchtränkte, als sein harter Körper erschöpft auf ihr zusammensank.
Mit einer Hand griff sie in sein Haar. Lauschte, wie sein Herz donnerte und dann langsamer wurde.
Spürte in dieser letzten kostbaren Minute verstärkter Klarheit eine unerwartete Verletzlichkeit.
Sie lächelte, schlang ihre Arme um ihn und hielt ihn fest.
Bevor sie sich ermahnen konnte, wie gefährlich das war, glitt sie über die Schwelle des Bewusstseins in Schlaf.
Die Uhren im Haus schlugen drei. Sebastian war bereits wach, aber das Geräusch holte ihn voll in die Gegenwart zurück und in diese tiefe, seelenbefriedigende Wärme, die ihn umfing.
Er lehnte sich mit seinem Rücken ans Kopfende und sah hinunter. Helena lag schlafend da, an ihn gekuschelt und gepresst; ihre kleinen Hände hielten ihn fest, als hätte sie Angst, er könnte sie verlassen. Während er ihre Züge studierte, fragte er sich, was dahinter vorging.
Mignonne, was versteckst du vor mir?
Sebastian artikulierte den Gedanken nicht, wünschte aber, er würde die Antwort kennen.
Etwas war passiert, aber er wusste, verdammt noch mal, nicht, was. Bei ihrer Ankunft war alles noch in Ordnung gewesen …
Später hatte er das Personal befragt; sie wussten nichts, hatten nichts gesehen. Er hatte sich nicht direkt erkundigt; aber Webster hätte es erwähnt, wenn irgendwelche Briefe eingetroffen wären oder sie schon erwartet hätten. Und doch lagen da zwei Schreiben auf ihrem Toilettentisch, sein scharfes Auge hatte Wachsreste auf dem Boden entdeckt. Sie musste sie dort geöffnet haben - mit Sicherheit am ersten Abend, bevor sie zum Dinner heruntergekommen war, darauf hätte er schwören können.
Und genau ab diesem Zeitpunkt hatten sowohl die Atmosphäre als auch sie sich verändert.
Doch wo genau diese Veränderung lag - angesichts der Ereignisse der letzten paar Stunden - konnte er sich nicht erklären.
Etwas hatte sie zutiefst erschüttert. Ein kleines Ärgernis, da hätte sie ihrem Unmut freien Lauf gelassen. Aber dies musste etwas so Beängstigendes sein, dass sie es geheim halten wollte - und nicht nur vor ihm.
Sie hatte es noch nicht erkannt, aber in ihrer Beziehung waren sie bereits an einem Punkt angelangt - auch schon vor den letzten Stunden - an dem sie ihre Gefühle, ihre Emotionen nicht mehr vor ihm verstecken konnte - zumindest nicht ganz. Er las sie in ihren Augen, nicht deutlich, aber wie ein Schatten, der die peridotgrünen Tiefen verdüsterte.
Ihr Verhalten hatte seinen Verdacht nur erhärtet. Als sie sich von ihm umarmen ließ, war sie an der Oberfläche beherrscht gewesen und darunter so zerbrechlich, so schutzlos - so sehnsüchtig. Er hatte es in ihrem Kuss gespürt: eine Art Verzweiflung, als ob das, was zwischen ihnen geschah, was sie in diesen Stunden teilten, schmerzlich kostbar war und doch vergänglich. Zum Scheitern verurteilt. Dass es nicht von Dauer sein würde, egal wie sehr sie es wollte, sich danach verzehrte, ohne seine Wünsche, seine Kraft zu bedenken.
Das gefiel ihm nicht - nichts davon. Zwar kam er ihr, ihren Bedürfnissen in jeder Weise entgegen …
Er schnitt eine Grimasse bei der Erinnerung, was alles passiert war. Wusste, dass sie es nicht vollständig begreifen würde.
Natürlich hatte er ihr Verlangen nach Schutz gespürt, ihr Verlangen, besessen und behütet zu werden - hatte reagiert und sie zur Seinen gemacht auf die einzige Weise, die ihm wirklich etwas bedeutete. Und offensichtlich auch ihr.
Die Seine.
Sie würde nicht verstehen, was das bedeutete - nicht sofort, doch letztendlich dann schon. Helena konnte kaum durchs Leben gehen und nicht erkennen, dass sie von diesem Moment an die Seine war und zwar auf immer.
Das war ein Problem, für sie beide.
Mit einem stillen Seufzer sah er hinunter auf die dunklen Locken; dann hauchte er einen Kuss auf ihre Stirn, schloss die Augen - und überließ es dem Schicksal, seine bösen Fäden zu
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