Verhext in Texas: Roman (German Edition)
sich wieder hin und bestellte bei der Kellnerin noch eine Tasse Kaffee. Sobald die Show beendet war, glotzten alle Anwesenden mich an, als wollten sie sehen, wie ich reagiere. Ich zuckte mit den Schultern und verdrehte die Augen. »Tja, wer hätte gedacht, dass wir zum Abendessen auch noch eine kleine Vorstellung geboten bekommen«, witzelte ich gegenüber Nita. »Jetzt können wir uns das Kino sparen.«
»So leicht kommst du mir nicht um den Film herum!«
Das Kino war ein Relikt aus der Vergangenheit. Keine ansteigenden Sitzreihen, keine digitale Projektion, kein Surround-Sound. Es war dasselbe Kino, in dem meine Eltern als Kinder samstagnachmittags für zehn Cent Western im Doppelpack gesehen hatten, und seitdem hatte sich nicht viel verändert. Praktisch der einzige Unterschied bestand in den Eintrittspreisen, aber die waren verglichen mit New Yorker Kinos noch immer ein Schnäppchen. Hier konnte ich mir nach dem Kauf der Eintrittskarte sogar noch etwas zu naschen leisten. Nita und ich kauften Popcorn und Süßigkeiten und versuchten dann im Saal zwei benachbarte Sitze zu finden, die nicht kaputt waren und bei denen die Sprungfedern nicht durch den abgewetzten Samt hervortraten. Als der Film anfing, befanden sich außer uns noch ganze zehn weitere Besucher im Kino. (Und natürlich saß der Größte von ihnen genau vor mir.)
Ich dämmerte vor mich hin, aß meinen Süßkram und achtete kaum auf den Film, in dem vor allem herumgerannt wurde und Dinge explodierten. Das Soundsystem war genauso vorsintflutlich wie das ganze Kino, was die Betreiber dadurch wettzumachen versuchten, dass sie die Lautstärke so weit aufdrehten, dass mein ganzer Körper vibrierte. Nita ging voll mit, dessen war ich mir sicher. Doch als ich zu ihr hinsah, stellte ich überrascht fest, dass sie tief und fest schlief. Wahrscheinlich hatte sie in letzter Zeit zu viel gearbeitet. Im gleichen Moment sackte dem großen Typen vor mir das Kinn auf die Brust, und aus der Reihe hinter mir vernahm ich lautes Schnarchen. Es war ja sicher nicht der beste Film aller Zeiten, aber ein Schlafmittel war er nun auch wieder nicht.
Da bemerkte ich, wie ein Schatten durch den Kinosaal schlich. Eine Explosion auf der Leinwand erhellte den in einen Kapuzenumhang gekleideten Zauberer, der auf den großen Typen vor mir zusteuerte. Ich kauerte mich in meinem Sitz zusammen, fischte ein Pfefferminz aus meiner Schachtel mit Süßkram und flitschte es dem schlafenden Typen in den Nacken. Der schreckte hoch, rieb sich den Nacken, und der Zauberer ließ sich zu Boden fallen. Er hatte wahrscheinlich einen Schlafzauber zum Einsatz gebracht, um das Publikum leichter beklauen zu können. Ich stieß Nita kräftig meinen Ellbogen in die Rippen.
»Willkommen im Cobb Inn!«, platzte sie heraus, sobald sie zu sich kam. Dann klapperte sie mit den Augenlidern und sah sich um. »Bin ich eingeschlafen?«, flüsterte sie mir zu.
»Du hast den Film ausgesucht«, gab ich mit einem Schulterzucken zurück. Sie richtete ihren verträumten Blick erneut auf Tom Cruise, während ich bemerkte, dass der Zauberer wieder durchs Kino schlich. Ich lehnte mich zu ihr hinüber und flüsterte: »Ich gehe mal aufs Klo.« Die Augen auf die Leinwand fixiert, rang sie sich ein kaum merkliches Nicken ab.
Ich lief gebückt zum Ende der Sitzreihe und versuchte, meinen Kopf unterhalb der Rückenlehnen zu halten, während ich mich gleichzeitig bemühte, außer mit den Füßen mit keinem Teil meines Körpers den Boden zu berühren, der von der verschütteten Limonade der letzten Jahrzehnte klebte. Sobald ich eine Stelle erreichte, an der ich außer Sicht war und zugleich ein freies Schussfeld auf den Rest des Publikums hatte, begann ich Pfefferminzbonbons auf die Schlafenden zu werfen, um sie aufzuwecken. Nacheinander schreckten alle hoch und rieben sich verdutzt die Augen. Ich hatte das Ansteigen magischer Kräfte nicht bemerkt – vermutlich, weil jede Vibration meiner Halskette im Krach des Soundsystems untergegangen war –, doch ich fühlte ihre Abwesenheit, als der Zauber plötzlich erlosch. Genau in dem Moment wandte ich den Kopf und sah die umhangtragende Gestalt durch den Notausgang an der Vorderseite des Saals entwischen. Ich war versucht, sie zu verfolgen, doch ich wusste, dass ich nicht die Richtige war, um einen Zauberer zur Strecke zu bringen. Sam war draußen auf dem Platz und hielt nach Umhangträgern Ausschau, also überließ ich ihm die Aufgabe und ging zurück zu meinem Platz.
Jetzt, wo
Weitere Kostenlose Bücher