Verhext in Texas: Roman (German Edition)
Die Kraft kommt aus dem Boden, nicht aus der Luft, und deshalb ist sie stärker ortsgebunden, und man kann sie nicht so leicht nutzen.« Am Ufer des Baches beugte er sich übers Wasser. Mit halb geschlossenen Augen streckte er eine Hand aus. Schließlich hielt er die Hand ins Wasser und ließ sie eine Weile von der Strömung umspülen. Dann stand er auf, schüttelte die Tropfen ab und legte die Hand an einen wenige Schritte entfernten Baum.
Ich schaute ihm zu, während ich mein Eis löffelte. »Kann ich dir bei der Suche irgendwie helfen?«, fragte ich nach einiger Zeit, als er meine Anwesenheit vergessen zu haben schien. Es sah ganz danach aus, als wäre er wieder auf Distanz gegangen. Oder womöglich konzentrierte er sich auch nur auf seine Arbeit. Er war schließlich nicht nur hergekommen, um mich zu sehen.
»Ist dir hier jemals etwas Ungewöhnliches aufgefallen?«
»Wie gesagt, ich habe nie irgendwas gesehen, was mit Magie zu tun hatte, bevor ich nach New York kam. Gibt es etwas Bestimmtes, was ich hätte bemerken sollen?«
Er sah sich weiter suchend um, stieß mit dem Fuß Grassoden los und schaute zwischen die Äste des Gebüschs. »Irgendwelche unbekannten Wesen? Oder kursierten vielleicht irgendwelche Geschichten über merkwürdige nächtliche Ereignisse hier unten?«
»Wesen? Du meinst Feen und so?«
»Nicht ganz so wie die, die du kennst. Die hier müssen wilder sein. Es könnte hier in der Region ein paar isolierte Arten geben.«
»Ich weiß nicht. Ich hab nie welche gesehen, und als Kind hab ich ständig hier unten gespielt.«
»Warst du denn jemals im Dunkeln oder bei Dämmerung hier?«
»Nein, das nicht. Als ich in der Schule war, war das hier zwar die beliebteste Stelle zum Knutschen, aber da war ich außen vor. Soviel ich weiß, kommen die Jugendlichen heute hierher, um zu trinken und Drogen zu nehmen.«
»Dann kannst du gar nichts gesehen haben.«
»Wahrscheinlich ist das die Erklärung dafür, dass meine Oma immer vom Elfenvolk erzählt. Und wenn sie zu den entsprechenden Zeiten hier war, sagt das eine Menge darüber, wie sie ihre Jugend verbracht hat. Ganz schön flotter Feger, meine Oma.«
Er sah sich weiter suchend um, und ich fragte mich, ob ich ihn vielleicht unterstützen sollte, aber er hatte auf mein Angebot gar nicht reagiert. Also überließ ich ihn lieber sich selbst, zumal ich ja keine Ahnung hatte, wonach er suchte. »Vielleicht halten sie sich überhaupt nicht mehr hier auf«, meinte er schließlich. »Sie haben sich bestimmt von den Säufern und Drogensüchtigen vertreiben lassen. Von den Auras der Liebespaare müssten sie angezogen worden sein, aber Säufer haben zu viel negative Energie.«
»Inwiefern würde es uns helfen, wenn wir diese Kreaturen finden würden?«
»Das könnten unsere Verbündeten sein. Oder vielleicht haben sie etwas gesehen, das uns hilft. Aber das ist nur eine Idee, weil wir sonst so wenig Anhaltspunkte haben.«
»Wir könnten ja auch ein paar von diesen Kerzen besorgen und dann Mom dazu bringen, die ganze Stadt einzuladen.«
»Gute Idee, auf die müssen wir vielleicht später noch zurückkommen.«
»Ist dir denn an unseren Verdächtigen irgendwas aufgefallen?«
»Eigentlich nicht. Außerdem kann es natürlich auch jemand sein, den du nicht kennst.«
»Es gibt hier nicht allzu viele Leute, die ich nicht kenne. Das ist nicht die Art von Stadt, die Fremde anzieht.«
»Mir gefällt es hier. Es ist wie in einem alten Film.«
»Ja, aus der Zeit gefallen, das sind wir. Wir sind die texanische Ausgabe von Brigadoon aus dem Musical. Und jetzt bekommen wir auch noch die passende Zauberei dazu. Was tun wir denn jetzt?«
»Wir warten darauf, dass unser Zauberer seinen nächsten Schachzug macht, und versuchen daran etwas zu erkennen.«
Wir spazierten zurück zum Dairy Queen, wo Owen seinen Wagen geparkt hatte. Deans protziger neuer Pick-up stand auch noch da, und ich fühlte mich ein klein wenig schuldig, weil ich erleichtert war, dass er nicht in diesem Moment nach draußen kam. Die Erleichterung verstärkte sich noch, als mir Sherris kleines Cabrio auffiel, das ganz in der Nähe parkte. Wenn sie sich zum Abendessen zu ihm gesellt hatte, wollte ich den beiden noch weniger begegnen.
Das galt erst recht, nachdem ich einen Blick durchs Fenster in den Gastraum geworfen hatte und sah, dass Dean und Sherri sich gegenseitig anschrien; offenbar waren sie mal wieder in aller Öffentlichkeit in Streit geraten. »Oh, oh«, sagte ich. »Könnte sein, dass du
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