Verhext in Texas: Roman (German Edition)
anzumerken, wie erschöpft er sich noch fühlte. Mom hatte uns einen Stapel Waffeln aufgehoben, die wir in den Toaster steckten, und zu meiner großen Erleichterung sprach aus der Nachricht, die sie mir geschrieben hatte, keinerlei Verdacht.
Owen trug dieselben Sachen wie sonst im Büro: Anzug und Krawatte. Eigentlich hätte ich gegen diesen Anblick ja inzwischen immun sein müssen, aber da ich ihn eine ganze Weile nicht so gesehen hatte, blieb mir fast die Spucke weg. Und gleichzeitig versetzte es mir einen Stich, als mir klar wurde, was ich so lange entbehrt hatte. »Kaffee?«, fragte ich und versuchte zu verbergen, was, wie ich fürchtete, offensichtlich war.
»Ja, bitte.« Er hängte seine Anzugjacke über die Rückenlehne des Küchenstuhls und setzte sich müde hin.
Ich stellte den Kaffee vor ihn hin, zusammen mit Gläsern für Milch und Orangensaft. »Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«, fragte ich.
»Solange mich heute niemand zu einem magischen Duell herausfordert, ist alles gut. Unser Zauberer erholt sich bestimmt noch von seinem Raubzug von neulich abends. Das Fehlen lokaler Kraftfelder sollte ihm – oder ihr – noch mehr zu schaffen machen als mir.«
Die ersten Waffeln sprangen aus dem Toaster, und ich reichte ihm seine auf einem Teller an. »Sirup steht auf dem Tisch. Brauchst du sonst noch irgendetwas?«
»Nein, danke. Esst ihr so was immer?«
Ich legte meine eigene Waffel auf einen zweiten Teller und nahm dann neben ihm Platz. »Nein, Mom legt sich nur ein bisschen ins Zeug, weil du zu Besuch bist. Meistens gibt’s hier Frühstücksflocken und vielleicht noch Toast.« Plötzlich wurde mir bewusst, wie eng mein Rock geworden war. Ein Monat mit Moms Küche und ohne all die Wege, die ich in New York zu Fuß zurückgelegt hatte, und ich lief Gefahr, mir eine komplett neue Garderobe kaufen zu müssen. Meine einzige Rettung bestand in der Tatsache, dass mein Job hier weitaus mehr körperliche Aktivität mit sich brachte, als es meine Arbeit bei MMI getan hatte. Nun ja, mal abgesehen von den Tagen, an denen ich von Drachen oder anderen seltsamen magischen Kreaturen verfolgt worden war. Mein Bürojob bei MMI war überwiegend eine sitzende Tätigkeit gewesen, während ich im Laden nur selten dazu kam, mal mehr als fünf Minuten am Schreibtisch zu bleiben.
Owen aß eine Weile schweigend, dann zeigte das Koffein allmählich seine Wirkung, und er wurde ein bisschen lebhafter. »Ich nehme an, dass wir gleich nach der Kirche zum Haus deines Bruders fahren, um uns zu vergewissern, dass deine Schwägerin nicht unsere Übeltäterin ist. Steht heute sonst noch irgendetwas auf der Agenda?«
»Es wird dich freuen zu hören, dass sonntags immer ein Mittagsschlaf nach dem Essen vorgesehen ist.«
»Gut. Dann sind wir fit für die nächste anstrengende Nacht.«
»Noch eine?« Auch wenn ich die Rüschen und den Baldachin hasste, mochte ich mein Bett andererseits doch ziemlich gern, vor allem mitten in der Nacht. Ich war überhaupt nicht scharf darauf, nachts draußen herumzuschleichen.
»Unser Zauberer müsste sich inzwischen von seinen Gaunereien am Freitag erholt haben, und Sonntagnacht ist doch die ideale Zeit, um die Bank besonders effektvoll auszurauben. Stell dir den Schrecken und die Angst vor, wenn sie am Montagmorgen die Bank öffnen und der Tresor ist leer. Das würde ihm doch eine Riesenfreude bereiten.«
»Kann man wirklich mit Magie eine Bank ausrauben und einen Tresor knacken?«
»Ich würde es nicht gerade bei einer Chase-Filiale in Manhattan versuchen, aber hier würde ich wahrscheinlich in eine Bank reinkommen und mit einer netten Geldsumme unterm Arm wieder raus, ohne dass überhaupt jemandem auffällt, was ich tue. Zwar sind mir keine Zauberformeln bekannt, die speziell zum Knacken eines Tresors gedacht sind, aber es gibt andere gute Formeln für Schlüssel, die man sicherlich abwandeln kann. Nach allem, was wir bislang über unseren Zauberer wissen, würde es mich nicht wundern, wenn in Idris’ Kurs auch Formeln zum Ausrauben von Banken durchgenommen werden.«
»Manchmal bin ich echt froh, dass du auf meiner Seite stehst«, sagte ich und schob mir das letzte Stück Waffel in den Mund.
Mom wartete vor der Kirche auf uns, und ich war froh, dass Owen darauf bestanden hatte mitzukommen, ganz gleich, wie er sich fühlte, denn sie hatte sich herausgeputzt wie ein Pfau, um sich nur ja ins rechte Licht zu rücken. Wir waren noch nicht ganz drinnen, als sie schon anfing, Owen allen als
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