Verhext: Roman (German Edition)
vorne man war, desto besser waren Kraft und Beweglichkeit.
Immerhin wirkte Jamie nicht mehr so verloren, und wenn Nat »Dreieck« sagte oder »herabschauender Hund«, bewegte er sich wie alle anderen. So schnell konnte man sich in nur drei Wochen verbessern, wenn man jeden Tag Yoga machte. Das musste Liebe sein.
Erst bei den verhassten Hüftöffnern zeigte Jamie Anzeichen von Rebellion. Lauren versuchte es mit der minimalistischen Methode: so tun, als würde man sich anstrengen.
Doch leider war Nat nicht so leichtgläubig wie ihre Geschichtslehrerin auf der Highschool. Entweder das, oder sie wusste, dass man die hinterste Reihe nicht sich selbst überlassen durfte. Unter ihrem strengen Blick versuchte selbst Jamie, seinem Becken noch mehr Raum zu geben, was immer das bedeutete.
Nach den Minuten, die sie zum Abschluss in der Totenstellung verbrachten – eine Übung, in der sich die letzte Reihe besonders hervortat –, leerte sich der Raum. Jamie und Lauren standen bei Nat, als die anderen zum Essen, nach Hause oder einfach auf ihr gemütliches Sofa eilten.
»Das waren aber heute viele«, sagte Lauren.
Nat sah leicht beunruhigt aus. »Ich weiß. Ich hab
keine Ahnung, was ich dagegen tun soll. Wenn man sich so drängen muss, ist das nicht der optimale Rahmen für Yoga.«
»Dann fällt man wenigstens in den Balance-Stellungen nicht so schnell um«, sagte Jamie. »Es ist immer jemand da, an dem man sich festhalten kann.«
Nat lachte. »Schummler. Bei euch Typen aus der letzten Reihe schlägt jede Korrektur fehl.«
Jamie pikste Nat in die Rippen. »Wieso, hast du etwa ein Wörterbuch verschluckt?«
Fast, dachte Lauren, und fragte sich, wie viele Yoga-Lehrer mit Bestnote in Literatur und Linguistik es wohl gab. »Du könntest in größere Räumlichkeiten umziehen. Ich tue mich gern nach passenden Exposés um, wenn du dir mal ansehen willst, was es so gibt.«
Nat seufzte. »Entweder das, oder ich muss mehr Stunden geben, aber unser Terminplan ist bereits ziemlich voll. Alle Abendstunden sind so wie diese hier. Vor zwei Tagen konnte ich sie nur noch die Matten teilen lassen und Partner-Yoga machen.«
»Dann denk doch über einen größeren Raum nach«, sagte Jamie. »Lauren hat recht – das ist die naheliegendste Lösung.«
Nat ließ den Blick durch das Studio wandern. »Es würde mir sehr schwerfallen, mich von diesem Raum zu trennen. Lauren, erinnerst du dich noch, als wir ihn das erste Mal besichtigt haben?«
»Ja. Als du gehört hast, wie hoch die Monatsmiete ist, hast du dich fast übergeben, aber es war genau die richtige Location.«
»Das hast du mir damals regelrecht eingebläut. Und anscheinend hattest du damit recht.«
Lauren lächelte. »Ich hab’s dir ja gesagt.«
Nat blickte Jamie an. »So ist Lauren zu ihrem Job gekommen. Der Makler war beeindruckt, wie sie mich von diesen Räumlichkeiten überzeugt hat. In einem gewissen Sinn haben wir beide hier angefangen.«
»Wenn es dir so wichtig ist«, sagte Jamie, »dann behalte es. Mach ein zweites Studio auf, statt umzuziehen.«
Jamie versteht sie wirklich, dachte Lauren. Sein lässiges Selbstvertrauen würde die Selbstzweifel vertreiben, die Nat manchmal noch unter dem Bett ihrer Kindheit hervorzog.
»Das muss ich ja nicht gleich jetzt entscheiden«, sagte Nat. »Lauren, meinst du, es gibt ein paar Immobilien hier in der Nähe, die ich mir mal ansehen könnte?«
»Na klar. Ich weiß von einer, die leer steht. Die können wir gleich morgen früh besichtigen, wenn du willst.«
Nat nickte und nahm Jamies Hand. »Sag uns nur wo und wann.«
Wenn Nat ihn zur Besichtigung eines neuen Studios mitnahm, war es wohl tatsächlich etwas Ernstes. Bisher hatte Lauren nur so nebenher die Augen nach dem Haus offen gehalten, das Jamie in seiner Vision gesehen hatte. Jetzt schien es, als sollte sie dem mehr Aufmerksamkeit widmen.
Sie würde sich demnächst auf die Suche machen. Aber jetzt brauchten sie erst einmal etwas zu essen, damit sie die Nacht der Hexenamateure überstanden.
Vielleicht wurde es ja gar nicht so schlimm. Klar, und Schnecken schmeckten vielleicht gar nicht so schlecht, wenn man ihnen schicke französische Namen gab. Jamie hatte keine Ahnung, warum er sich von Lauren zu diesem Coven-Treffen überreden lassen hatte. Sie hatte ihn offensichtlich in einem sehr schwachen Moment erwischt.
Eigentlich hatte er nicht viel Erfahrung mit Coven. An der Uni hatte einmal eine sehr ernsthafte Gruppe versucht, ihn als Teilnehmer zu
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