Verhext: Roman (German Edition)
seine Partnerin ins Spiel kommen würde. Die Frau, bei deren Entdeckung sie eine kleine Rolle gespielt hatte. Ein Hol-Zauber im wahrsten Sinne des Wortes. Und vielleicht passte es ganz gut, dass eine so moderne Hexe, unbelastet
von jedweder Geschichte, einer anderen Hexe zur Seite stand, auf deren Schultern die Last der Geschichte lag.
Doch Lauren musste erst noch verstehen, was ihre Macht ihr abverlangen würde. Heute Abend würden sie sehen, aus welchem Holz sie wirklich geschnitzt war. Moira ahnte, dass sie die Herausforderung meistern würde.
Und sie hatte vor, dabei zuzusehen. Als Geschichtsschreiberin der Hexen war das nur recht und billig. Moira fuhr mit der Hand über die Kristallkugel.
»Hör mich Kugel und lass mich sehn,
was in der Ferne wird geschehen.
Zeige mir Alten das junge Blut
und das, was die neue Hexe tut.
Dies ist mein Wille, also geschehe es.«
Staunend blickte Lauren über die Landspitze des Point Reyes National Seashore . Angesichts der steil zu den Sandstränden abfallenden Klippen, der untergehenden Sonne, die mit den von den Hügeln aufsteigenden Nebelfetzen spielte, war es nicht schwer, sich vorzustellen, dass an einem solchen Ort Magie möglich war. Zumindest wenn man die Tatsache ignorierte, dass es sich um einen Nationalpark handelte und jeden Moment eine Gruppe Touristen auftauchen konnte.
Sie blickte zu Jamie. »Wie schaffen es denn einhundert Hexen, hier eine magische Show zu veranstalten, ohne Aufmerksamkeit auf sich ziehen?«
Jamie zeigte auf die Park Ranger, die gerade mit Jennie
plauderten. »Wir machen einen kleinen Spaziergang in ein Tal, in das man sich nicht einfach zufällig verirrt, und die Ranger überwachen die Wege in der Nähe, um sicherzustellen, dass wir unter uns bleiben.«
»Will ich wissen, wie ihr Nationalpark-Ranger dazu kriegt, euch diese Dienste zu leisten?«
Jamie nahm Nat bei der Hand und streckte die andere nach Lauren aus. »Einer der beiden Ranger ist meine Cousine Maria.«
Lauren lachte, reihte sich in die bunt gemischte Schlange ein und folgte Nell und Aervyn tiefer in die Landzunge hinein. Wenn Aervyn weiter so hüpfte, würde er Nell noch den Arm ausreißen.
Sophie schloss zu Lauren auf. »Wie geht es dir?«
Lauren zeigte zur Spitze der Schlange. »Ich glaube, mein Magen ist mit Aervyns Füßen verbunden.«
»Damit kann ich dir helfen, wenn du willst.«
»Das wäre gut. Ich will nicht, dass ich den anderen als die kotzende Hexe in Erinnerung bleibe.«
Sophie lachte und nahm Laurens Hand. »Da wärst du nicht die Erste.«
Lauren spürte, wie sich der Lapislazuli-Anhänger erwärmte und kurz darauf löste sich der schlimmste der vielen Knoten in ihrem Magen. »He, danke – schon viel besser.«
»Gern geschehen und sei gesegnet, meine neue Schwester. Wir sind jetzt da.«
Lauren sah sich um und geriet erneut ins Staunen. Das enge Tal, durch das sie gegangen waren, mündete in eine flachere Wiese – sofern man Felsen und Moos eine Wiese
nennen konnte. Sanfte Hügel bildeten an drei Seiten den Rahmen für den mit wilden Kreidestrichen bemalten Himmel und den riesigen Feuerball, der gerade im Ozean versank.
»Willkommen in Ocean’s Reach«, sagte Jennie mit Mentalmagie in der Stimme, »wo Hexen sich seit Jahrhunderten versammeln. Wir sind heute hier zusammengekommen, um das Alte zu ehren, uns in der Gegenwart zu verwurzeln und das Neue willkommen zu heißen. Ich bitte den inneren Kreis, zu mir zu kommen, damit der äußere Kreis sich um uns herum formieren kann.«
Dreizehn Hexen stellten sich neben Jennie auf und zogen Snacks aus Tüten oder Hosentaschen. Jamie reichte Lauren einen Joghurt-Drink und warf dann zwei Kissen auf einen flachen, erhöhten Felsen. Aervyn kam zu ihnen gehüpft und ließ sich auf einem davon nieder, Jamie dirigierte Lauren mit einer Geste zu dem anderen.
Der innere Kreis nahm um sie herum ziemlich schnell Gestalt an. Jamie ließ sich mit dem Gesicht zum Ozean nieder, Aurelia und Scott links und rechts neben sich. Die übrigen neun nahmen ihre Plätze an den anderen drei Himmelsrichtungen ein. Jennie zwinkerte Lauren aufmunternd zu.
Alle anderen versammelten sich zum äußeren Kreis. Lauren entdeckte Ginia, wie üblich an Nats Seite, und Jennies Tochter und deren Partnerin, die beide ein Kleinkind mit violetten Haaren im Schoß sitzen hatten. Die vielen anderen kannte sie aus Jamies Küche, konnte sich aber kaum noch an einzelne Namen erinnern. Ein paar
von ihnen hielten Instrumente im Schoß, an die
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