Verhext: Roman (German Edition)
sie ziemlich mitgenommen. Anscheinend haben die Mentalhexen in unserem Kreis zumindest ein bisschen von dem mitbekommen, was Lauren erlebt hat.«
Er sah Lauren mit ehrlichem Respekt an. »Eine tolle
Methode, einen Vulkan zu zähmen, Mädchen. Das war sehr beeindruckendes Channeling.«
Lauren errötete. »Als Jamie in Panik geriet, ist mir fast das Herz in die Hose gerutscht, aber dann haben wir es doch geschafft, die Energie zu bändigen. Danach war es nicht viel anders als im Übungskreis.«
»Jamie ist in Panik geraten?«, fragte Nell ungläubig.
Oh, oh. Zu spät ging Lauren auf, dass nicht alle Emotionen so leicht wahrnahmen wie sie. »Na ja, als Aervyn seine Macht durch das Lufttrio geschickt hat, ging es ganz schön ab.«
Nell sah immer noch schockiert aus. »Jamie hat Aervyn ausgebildet von dem Tag seiner Geburt an. Ich will mir lieber nicht vorstellen, was ihn in Panik versetzen könnte.«
Jamie, der gerade zu ihnen getreten war, antwortete, den Mund voll Hotdog. »Panik ist das richtige Wort, und ich bin Manns genug, das zuzugeben. Ich glaube nicht, dass es eine Kategorie für den Hurrikan gibt, den Aervyn auf uns losgelassen hat. Der Hexenbengel. Ich glaube, er war ein wenig überdreht.«
»Ich habe ein Beben gespürt, als die Verknüpfung mit der Luft stattgefunden hat«, sagte Nell, »aber mehr auch nicht. Wir anderen hatten noch keine Verbindung aufgenommen. Wie habt ihr das denn hingekriegt?«
Grinsend reichte Jamie Ginia den Rest des Hotdogs. »Lauren hat Aervyn angeschrien. Hat gut gewirkt.« Er zwinkerte Lauren zu. »Du wirst mal eine gute Ausbilderin.«
»Ich habe ihn angeschrien?« Oh, Mist, dachte Lauren.
Wirklich? Zugegeben, sie hatte unter einer unglaublichen Anspannung gestanden, normalerweise schrie sie nie. Armer Aervyn.
Jamie lachte so heftig, dass es ihn nicht mehr auf den Beinen hielt. »Sie channelt den Zauber des Jahrhunderts, und dann hat sie ein schlechtes Gewissen, weil sie den Zauberer angeschrien hat. Er wird’s überleben, Lauren – guck.«
Laurens Blick folgte Jamies ausgestrecktem Zeigefinger. Der Junge, der den Planeten Erde hatte aufstoßen lassen und halb Kalifornien davor bewahrt hatte, im Ozean zu versinken, wedelte zufrieden mit einem Stock, an dem ein brennender Marshmallow steckte.
Moira legte die Kristallkugel zurück auf den Tisch, ihre Wangen waren tränennass. Lauren und ihr kleiner Aervyn hatten sich gut geschlagen. Lauren hat heute Nacht ihrem Schicksal geantwortet, auch wenn ihr nicht bewusst war, dass es sie gerufen hatte. Aervyn hatte einen guten, einen sehr guten Zauber gewirkt und den Menschen in Kalifornien damit ein bleibendes Geschenk gemacht.
Und vielleicht waren bei der Gelegenheit auch Sophie und Mike beschenkt worden, wenn sie die Situation richtig gedeutet hatte. Sie wären nicht das erste Paar, das durch die starke Verbundenheit eines vollen Kreises zueinanderfand. Zwei Heiler – das passte gut zusammen.
Und ihre süße Ginia war ein Hexenkind. Wer hätte das gedacht!
20
Lauren wünschte sich, sie wäre bereits mit dem Frühstück fertig gewesen, als Jamie offiziell verkündete, er würde mit nach Chicago kommen. Danach war ihr nämlich der Appetit vergangen.
Mit tränenüberströmten Wangen klammerte Ginia sich an Nats Arm. »Ich will nicht, dass du gehst! Ihr sollt beide hierbleiben, du und Onkel Jamie.«
Irgendwie gelang es Nat, alle drei der achtjährigen Mädchen auf ihren Schoß zu nehmen. »Es tut mir ja so leid. Mir fällt das wirklich schwer, und ich bin furchtbar traurig, aber Chicago ist mein Zuhause. Dort ist mein Yoga-Studio, das ich schon ganz schön lange allein gelassen habe. Aber ich werde euch schrecklich vermissen.«
»Hier kannst du doch auch Yoga machen«, schluchzte Ginia.
Nat sagte nichts mehr, sondern drückte sie einfach fest an sich. Lauren fand es sehr vielsagend, dass niemand – so traurig auch alle waren – den Vorschlag machte, dass Nat und Jamie in zwei verschiedenen Städten leben sollten. Und niemand glaubte an Jamies Behauptung, das sei nur eine Lösung für ein paar Wochen.
Auch auf Jamies Schoß saß ein unglückliches Kind. Aervyn hatte den Kopf an Jamies Brust gedrückt.
Nell streichelte über Ginias Rücken. »Sie kommen uns besuchen, mein Schatz.«
Jamie griff danach wie nach einem rettenden Strohhalm. »Das werden wir. Lauren muss ja ihre Ausbildung bei Tante Jennie fortsetzen und mit Aervyn arbeiten. Wir sehen uns alle wieder.«
Ginia sah wild entschlossen auf.
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