Verhext
ist das einzige, was zählt. Was die Leute sagen, interessiert mich nicht. Ich bin es gewohnt, daß über mich geredet wird.«
Sie verzog schmerzlich den Mund. »Manchmal denke ich, daß du wirklich über den Dingen stehst.« Sie zögerte. »Ich habe die Morgenzeitung gelesen. Zufällig stieß ich auch auf die Geschichte von einer angeblichen Szene auf dem Fenwickschen Ball gestern abend.«
»Ach ja?«
Hannah sah ihn fragend an. »Also bitte, Marcus. Wir beide sind alte Freunde. Du kannst dich mir anvertrauen. Wir beide wissen, daß du nicht der Typ Mann bist, der sich wegen einer Frau zum Gespött
der Leute macht. Hast du Mrs. Bright wirklich auf dem Arm aus dem Ballsaal geschleppt?«
»Sie ist in Ohnmacht gefallen.«
»Du hast dich noch nie mit jemandem eingelassen, der zu auffälligen Szenen neigt. Du bist berühmt dafür, daß du von deinen Mätressen absolute Diskretion verlangst.«
»Mrs. Bright ist nicht meine Mätresse«, sagte Marcus kalt. »Sie ist eine sehr gute Freundin. Sie ist in Ohnmacht gefallen und ich habe dafür gesorgt, daß sie an die frische Luft kam, um sich zu erholen. Das war alles.«
Hannah seufzte. »Du bist heute seltsam gestimmt.« Sie zog ihren Schleier wieder vor das Gesicht. »Verzeih mir meine Neugier. Deine Beziehung zu Mrs. Bright ist allein deine Sache.«
»Allerdings.«
»Ich muß los. Ich habe Sands erzählt, ich fahre einkaufen.«
Marcus’ Stimme wurde sanft. »Versuch, dir nicht allzu viele Sorgen wegen dieses Erpressers zu machen, Hannah. Ich kümmere mich um die Sache.«
»Danke.« Sie bedachte ihm mit einem weiteren traurigen Lächeln. »Ich habe großes Glück, dich zu meinen Freunden zählen zu dürfen.« Sie schnalzte mit den Zügeln, und die Pferde setzten sich in Bewegung.
Marcus betrachtete noch lange Zeit den plätschernden Brunnen, und dann wandte er den Kopf seines Hengstes, um zurück zum westlichen Eingang des Parks zu reiten.
»Aber es heißt, er sei tot«, jammerte Zoe, Lady Guthrie. »Warum ist er es dann nicht?«
»Pst, Tante Zoe.« Iphiginia sah sich eilig in dem beinahe menschenleeren Ausstellungsraum der Polsterei Hornby und Smith um. Glücklicherweise schien niemand Zoes Lamento gehört zu haben. »Ich weiß es nicht, aber das ist doch eine erfreuliche Entwicklung, findest du nicht?«
»Es macht die ganze Sache nur noch verwirrender, wenn du mich fragst«, erklärte Zoe.
Amelia, die eines der langweiligen braunen Baumwollkleider trug, die sie bevorzugte, nickte zustimmend.
»Tante Zoe hat vollkommen recht. Die ganze Sache ist einfach rätselhaft. Mir gefällt das alles nicht.«
»Bitte sprecht beide etwas leiser, sonst hört euch noch irgendwer.« Erneut sah Iphiginia sich in dem Ausstellungsraum um.
Die Eigentümer drückten sich hinter einem Tresen am anderen Ende des Ladens herum. Mr. Smith war ein dicklicher, plumper Mann, der durch seine grell rosafarbene Weste und durch die hochmodernen Bügelfalten in seiner Hose auffiel. Hornby, hager, krummbucklig und kahlköpfig, trug eine Weste mit Paisleymuster, die sich deutlich von seiner violetten Jacke abhob.
Hornby blickte ungeduldig in Richtung von Iphiginia, Zoe und Amelia, die sich über ein Musterbuch gebeugt hatten. Ganz offensichtlich wartete er auf eine Gelegenheit, sich auf die drei Damen stürzen zu können. Er war bereits zweimal abgewiesen worden, aber Iphiginia wußte, daß er drauf und dran war, ihnen ein drittesmal seine Hilfe anzubieten.
Die Wände des langgezogenen Raums waren mit Gemälden und Mustern bedeckt, die den Kunden Anregungen für die Dekoration ihrer Häuser gemäß der jüngsten Mode geben sollten. Stühle und Tische im neuesten Stil waren in der Mitte des Zimmers in einer Reihe aufgestellt.
Auf verschiedenen Tischen lagen Musterbücher mit Zeichnungen von luxuriösen Innendekors für jeden Raum des Hauses aus.
Iphiginia, Zoe und Amelia gaben vor, sich die Zeichnung einer Bibliothek anzusehen, die zugleich als Ausstellungssaal für Statuen dienen konnte. Der wahre Grund, weshalb sie sich heute morgen hier bei Hornby und Smith getroffen hatten, war jedoch, die jüngsten Entwicklungen der Krise zu besprechen.
»Offensichtlich hat der Erpresser gelogen, als er behauptete, er habe Masters ermordet«, sagte Iphiginia. »Er hat versucht, dir angst zu machen, Tante Zoe, damit du seine Forderungen auch bestimmt erfüllst.«
»Was ihm gelungen ist. Immerhin habe ich ihm fünftausend Pfund bezahlt«, murmelte Zoe. »Das ist wirklich zuviel. Da erlange ich
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