Verhext
denkt an nichts anderes. Glaub mir.«
»Woher willst du das bitte wissen?«
»Sie ist Dorchesters Tochter, und ich kenne Dorchester. Er ist verzweifelt darauf aus, Juliana mit einem reichen Mann zu verheiraten. Und ihre Mutter wünscht sich nichts so sehr wie einen Titel für ihre Familie.« Marcus zeigte mit seiner Gabel auf Bennet und kniff die Augen zusammen. »Du bist einer der größten Fische auf dem Heiratsmarkt, Bennet. Du bist reich, und es ist zu erwarten, daß du eines Tages meinen Titel erben wirst. Du mußt aufpassen.«
Bennet warf seine Serviette auf den Tisch. »Das ist wirklich die Höhe. Miss Dorchester ist nicht der Typ Frau, dem es um Geld und Titel geht.«
»Wenn du das wirklich glaubst, dann bist du noch naiver, als ich dachte.«
»Ich bin nicht naiv. Aber ich bin auch nicht so kalt, streng und starrsinnig wie du, Marcus. Und auf jeden Fall gebe ich mich nicht mit so frevelhaften Frauen ab, wie deine Mrs. Bright es ist.«
»Entweder sprichst du respektvoll von Mrs. Bright, oder du sprichst überhaupt nicht über sie, ist das klar?«
»Um Himmels willen, sie ist deine Geliebte.«
»Sie ist eine sehr gute Freundin.«
»Alle Welt weiß, was das heißt. Du hast wirklich Nerven. Du kritisierst Miss Dorchester, aber wenn du mich fragst, könnte deine Mrs. Bright von ihr noch eine Menge über Anstand und Benehmen lernen.«
Marcus knallte seine Kaffeetasse auf die Untertasse. »Ich frage dich aber nicht.«
Die Tür zum Frühstückszimmer öffnete sich, und Lovelace trat ein. In einer seiner behandschuhten Hände hielt er ein kleines Silbertablett.
»Eine Nachricht für Sie, M’lord. Sie wurde gerade abgegeben.« Mit gerunzelter Stirn nahm Marcus den Zettel vom Tablett. Lautlos überflog er den Inhalt.
M:
Ich muß dich sofort sehen. Es ist dringend. Im Park.
Zehn Uhr. Am Brunnen.
H
Marcus blickte zu Lovelace auf. »Geben Sie Anweisung, daß Zeus gesattelt und um halb zehn herübergebracht wird. Ich glaube, ich werde heute morgen ein wenig spazierenreiten.«
»Sehr wohl, M’lord.« Lovelace zog sich mit einer Verbeugung aus dem Frühstückszimmer zurück.
»Von wem war die Nachricht?« wollte Bennet wissen.
»Von einer Freundin.«
»Ich nehme an, Mrs. Bright.«
»Nein, sie ist nicht von Mrs. Bright.«
Bennet preßte die Lippen zusammen. »Ich habe dich noch nie so empfindlich erlebt, wenn es um eine deiner Mätressen ging.«
»Sie ist eine Freundin.« Marcus warf seine Serviette auf den Tisch und erhob sich. »Vergiß das nicht, Bennet.«
Um fünf vor zehn ritt Marcus auf Zeus, seinem muskulösen schwarzen Hengst, in den Park. Er nahm den Kiesweg, der zum Zentrum der ausgedehnten, baumbestandenen Grünanlage führte, da hier die wenigsten Menschen anzutreffen waren.
Hannah, Lady Sands, wartete bereits in einer kleinen, geschlossenen Karriole. Sie trug ein dunkelbraunes Reisekleid, dessen hoher Rüschenkragen ihren schlanken Hals betonte. Ihr liebliches Gesicht wurde von dem Schleier ihres modischen braunen Hutes verdeckt.
»Marcus. Gott sei Dank, daß du gekommen bist.« Sie lüftete den Schleier und sah ihn aus weit aufgerissenen Augen ängstlich an. »Ich bin schon seit Tagen vollkommen fertig. Als ich heute morgen hörte, daß du wieder in der Stadt bist, habe ich dir sofort eine Nachricht zukommen lassen. Ich hatte schon Angst, daß du so kurzfristig nicht kommen kannst.«
»Du weißt, daß ich dir jederzeit zur Verfügung stehe, Hannah.« Ihre angespannte Miene und der traurige Blick aus ihren grauen Augen gefielen ihm nicht.
Hannah war neunundzwanzig. Sie war mit dem wohlhabenden, liebenswerten Lord Sands verheiratet und hatte vor kurzem einem Sohn das Leben geschenkt.
Vor sieben Jahren war ihr erster Mann ums Leben gekommen. Ihre neue Ehe, die sie vor drei Jahren eingegangen war, schien glücklich zu sein. Marcus hatte sich für sie gefreut. Er hatte geglaubt, die Tage der Angst wären für sie vorbei, aber heute morgen meinte er, den alten, gehetzten Ausdruck in ihren Augen wiederzuerkennen.
»Was ist los, Hannah?«
»Ich werde erpreßt«, flüsterte sie, und ihr Gesicht drückte Verzweiflung aus. »Oh, Marcus, irgend jemand weiß alles.«
Marcus rührte sich nicht. »Das ist vollkommen unmöglich.«
»Nein, es ist wahr.« Tränen stiegen ihr in die Augen. »O Gott, er weiß es, verstehst du mich? Er weiß, wie Spalding zu Tode kam. Er weiß, daß ich ihn umgebracht habe.«
»Hannah, beruhige dich. Willst du mir etwa erzählen, daß jemand Geld von dir gefordert
Weitere Kostenlose Bücher