Verhext
Miss Corina den Vorzug gab.«
Die Neuigkeit, daß Iphiginia einen anderen Mann geliebt hatte, ihn vielleicht immer noch liebte, traf Marcus wie ein Fausthieb.
Hat er dir das Herz gebrochen, Iphiginia? War er der Grund, weshalb du die Fesseln des Anstands abgeworfen und begonnen hast, die Regeln der Gesellschaft zu mißachten? Liebst du ihn immer noch? War Richard Hampton der Mann, an den du gestern nacht gedacht hast, als du mich in deinen Armen gehalten und geflüstert hast, daß du mich liebst?
Marcus starrte ein paar Minuten schweigend hinaus auf den Garten. Ein leichter Regen dämpfte die leuchtenden Farben der Blumen und das Grün der Blätter. Plötzlich war der Tag unendlich grau.
Marcus drehte sich zu Barclay um. »Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen sollte?«
»Nein, M’lord, ich glaube, das ist so ziemlich alles, was ich herausgefunden habe.« »Vielen Dank für Ihre Mühe.«
»Nichts zu danken, Sir.« Barclay hievte sich von seinem Stuhl. »Es war eine recht anstrengende Reise. Ich freue mich schon darauf, nach Hause zu kommen und die Füße vor meinem eigenen Kamin auszustrecken.«
»Da wäre noch etwas.«
»Sir?«
»Ich möchte Sie bitten, morgen noch etwas anderes für mich herauszufinden.«
»Was?«
»Ich will, daß Sie herausfinden, wer vor kurzem auf dem Friedhof von Reeding ein recht eindrucksvolles Grabmal für eine gewisse Mrs. Elizabeth Eaton errichten ließ.«
Barclay bedachte ihn mit einem schiefen Blick. »Ein Grabmal?« »Ja, Barclay Eine Art Grotte.«
Barclay zuckte resigniert mit den Schultern. »Also gut, M’lord. Ich werde sehen, was ich herausfinden kann. Sonst noch etwas?« »Nein, Barclay, das wäre alles.«
Marcus wartete, bis er allein in seiner Bibliothek war. Dann ging er langsam zurück an seinen Schreibtisch und las die Nachricht, die er vor einer Stunde von Hannah erhalten hatte.
M:
Muß dich sehen. Dringend. Eingang Dollanger Gardens. Zwei Uhr.
H.
Marcus zerknüllte den kleinen Zettel in der Hand. Er befürchtete, daß er sich denken konnte, weshalb Hannah ihn unbedingt Wiedersehen wollte.
Um zwei Uhr stieg Marcus in die unauffällige Mietdroschke, die auf der Straße vor dem Dollanger Gardens stand.
Drinnen wartete Hannah. Sie trug einen dichten Schleier und ein
einfaches braunes Reitkleid. Die Vorhänge vor den Fenstern hatte sie zugezogen, so daß im Inneren der Kutsche Dunkelheit herrschte.
Sofort, als er eintrat, bestätigte sie seine Befürchtungen.
»Während du auf dem Land warst, habe ich einen weiteren Erpresserbrief erhalten, Marcus. Der Kerl will noch einmal fünftausend Pfund.« Hannahs normalerweise sanfte Stimme war schrill vor Erregung. »Ich war gezwungen, einen herrlichen Armreifen zu versetzen, den Sands mir zu meinem letzten Geburtstag geschenkt hat. Ich fürchte, daß ich ihn niemals werde zurückkaufen können. Ich habe die ganze Zeit Angst, daß mein Mann mich fragen könnte, weshalb ich das Armband nie trage.«
»Wo solltest du das Geld hinterlegen?« fragte Marcus.
»In einer Kutsche in der Pall Mall. Genau wie beim letzten Mal. Marcus, so kann es nicht weitergehen. Ich kann nicht all meinen Schmuck versetzen. Früher oder später wird Sands etwas bemerken.«
»Ich nehme an, es ist sinnlos, wenn ich nochmals versuche, dich zu überreden, Sands die Wahrheit zu sagen.«
»Du weißt, daß ich das nicht kann.« Hannah lüftete ihren Schleier, so daß er ihre verzweifelte Miene sah. »Er wird sich angewidert von mir abwenden, das weiß ich.«
»Er ist ein vernünftiger Mann. Gib ihm eine Chance, Hannah.«
»Ich liebe ihn zu sehr, um dieses Risiko einzugehen. Ich erwarte nicht, daß du meine Angst verstehst, Marcus. Du hast dich in deinem ganzen Leben noch vor nichts und niemandem gefürchtet. Und es ist offensichtlich, daß du noch nie eine Frau so geliebt hast, wie ich meinen Mann liebe. Wenn du jemals derart tiefe Gefühle gehegt hättest, würdest du mich verstehen.«
Marcus fragte sich, ob Iphiginia ihren Richard Hampton ebenso innig und leidenschaftlich geliebt hatte, wie Hannah Sands liebte. Doch dann schob er diesen Gedanken beiseite. »Ich gebe dir die fünftausend Pfund, Hannah. Hol den Armreifen zurück, ehe er verkauft wird.«
Sie ließ sich erleichtert in ihren Sitz zurücksinken. »Danke, Marcus. Du bist wirklich ein Freund. Ich werde dir das Geld zurückzahlen, das verspreche ich.«
»Das ist nicht nötig. Wir wissen beide, daß mir das Geld nicht fehlen wird.«
Sie lächelte wehmütig. »Nein, aber darum
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