Verico Target
und warum. Und nun sage ich Ihnen dasselbe.«
»Quatsch«, sagte Cavanaugh liebenswürdig, in der
Hoffnung, Lederer zu einer Reaktion hinreißen zu können
– entweder durch die Bemerkung oder durch ihren
liebenswürdigen Tonfall. Aber Lederer war kein Ben Kozinski. Er
fuhr fort zu lächeln – ein Mann, der nicht leicht in Panik
zu bringen war.
»Es tut mir leid, wenn ich Ihnen keine Hilfe sein kann,
Mister Cavanaugh.«
»Sie können mir sogar eine große Hilfe sein,
Doktor Lederer. Denn es könnten Menschenleben auf dem Spiel
stehen.«
»Ich weiß«, sagte Lederer, und sein
Gesichtsausdruck änderte sich nicht im geringsten; er warf nicht
einmal einen flüchtigen Seitenblick auf das Halloween-Foto an
der Wand.
Und nun überkam Cavanaugh plötzlich das Gefühl,
daß er alles bekommen hatte, was er hier bekommen würde.
Aber wenn es ihm gelang, Lederer aus seinem möglicherweise
abgehörten Haus wegzulocken und ihm heftig zuzusetzen… Er
sagte: »Das Programm zum Schutz von Zeugen…«
»Ich kann Ihnen nicht weiterhelfen, Mister
Cavanaugh.«
Wieder sah Cavanaugh auf das Foto von Lederers kleinen
Mädchen und dachte daran, daß er sich manchmal fragte, was
er selbst wohl an der Stelle eines Zeugen tun würde.
Er verabschiedete sich rasch, fuhr die kurvigen Straßen
hinab und schlug einen weiten Bogen zurück, sobald er merkte,
daß ihm niemand folgte. Er parkte in einer nicht
freigeschaufelten Zufahrt ein paar Häuser von Lederers
Grundstück entfernt; im Gebäude brannte kein Licht, und
eine halb zugeschneite Zeitschrift lag auf den Stufen zur
Eingangstür.
Es war nicht die Art von Gegend, wo ein Fremder sehr lang
unbemerkt in seinem Wagen sitzen konnte. Zu viele Kinder. Cavanaugh
stellte sich die heißlaufenden Telefone vor: »Sue,
Billy kommt grade von draußen rein und sagt, in der Einfahrt
der Hendersons steht ein Wagen, in dem ein Mann sitzt. Sind Jan und
Don denn nicht in Mexiko?«
»Ann, Kathy sagt…«
»Also nach dem, was gestern abend mit Rosie Lederer
passiert ist …«
» Vielleicht weiß Beth, ob die
Hendersons…«
Aber es dauerte nur fünfzehn Minuten, bis Mark Lederer
über den schneebedeckten Rasen vor den Häusern auf
Cavanaughs Wagen zukam.
Cavanaugh beugte sich über den Beifahrersitz und öffnete
die Tür. Lederer zögerte kurz, ehe er einstieg. Cavanaugh
gab dem Mann keine Chance, seine Proteste zu artikulieren;
fünfzehn Minuten hatten gereicht, um seinen Monolog
vorzubereiten.
»Doktor Lederer, ich weiß, daß Ihnen klar ist,
was uns das organisierte Verbrechen alles antun kann. Sie sind ein
intelligenter Mann. Was Ihnen aber offenbar nicht klar ist, ist die
Tatsache, daß man es Ihnen antun wird. Es gibt keine
Abmachungen mit diesen Leuten. Sie können nicht mit ihnen
verhandeln, denn wenn die plötzlich eine Bedrohung in Ihnen
sehen, brechen sie alle Versprechen. Augenblicklich. Denn sie
schulden Ihnen nichts. Wenn es denen gefällt, sind Sie und Ihre
Kinder im nächsten Moment tot. Und ohne die Wahrheit hat der
Staat kein Instrument in der Hand, um Sie auch nur ansatzweise zu
schützen.
Bitte unterbrechen Sie mich nicht, hören Sie nur zu. Ich
glaube nicht, daß Sie wirklich verstehen, worum es geht. Diese
Menschen haben Benjamin Kozinski getötet. Sie haben auch einen
Mann namens Carlo Gigliotti – einen ihrer eigenen Leute –
umgebracht und dazu seine Freundin, ein achtzehnjähriges
Mädchen, das völlig unschuldig zum Handkuß kam,
einfach, weil es existierte. Heute früh wurde einer ihrer
Auftragskiller erschossen, als er versuchte, Judy Kozinski in ihrem
Bad zu ermorden.
Und wissen Sie, warum diese Morde begangen wurden?
Das junge Mädchen mußte sterben, weil diese Leute
dachten, sie könnte irgend etwas wissen. Wir haben keine Ahnung,
ob sie wirklich etwas wußte. Vermutlich nicht. Aus demselben
Grund wäre Judy Kozinski fast gestorben. Benjamin Kozinski
wußte tatsächlich etwas, und er machte einen unbedachten
Schritt: Er fuhr um drei Uhr morgens mit dem Auto von daheim weg. Das
reichte, um sich mit einem Hammer den Schädel einschlagen zu
lassen. Vielleicht befürchtete man, daß er auf dem Weg zur
Polizei war. Vielleicht war er. Vielleicht nicht.
Also, ich bin der Meinung, Sie wissen etwas über Verico, Herr
Doktor. Etwas, das Sie erfahren haben, als Sie sich zu einem
persönlichen Gespräch dort aufhielten. Ja, mir ist klar,
daß Sie behaupten, Sie hätten sich dort nicht vorgestellt.
Aber ich denke, das sollte ich Ihnen nicht glauben. Ich bin
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