Verico Target
starrte den Lautsprecher an. Sein Gesicht hatte fast
die Farbe der Schneeflocken an der Scheibe.
»Was ist mit Lederer?« fragte Felders. »Haben Sie
ihn gesprochen?«
»Ich bin gerade dabei.«
»Und er schweigt sich aus«, sagte Felders
gleichmütig.
»Ja. Aber er hört zu. Und er weiß, worum es
geht.«
»Wann bringen Sie Judy Kozinski in Schutzhaft?«
»Ich brauche noch ein Weilchen. Ich halte Sie auf dem
laufenden. Und Marty – gab es irgendwelche Hinweise darauf,
daß Julia Garvey noch Zeit hatte, sich zu wehren?«
»Sieht so aus. Aber nicht lange. Ist das von
Bedeutung?«
»Nein«, sagte Cavanaugh. »Es hat mich nur
interessiert.« Er beendete die Verbindung und sah Lederer
an.
»Ich kann Ihnen nicht helfen«, sagte Lederer.
Frierend lief eine Frau über den Schnee auf den Wagen zu. Sie
trug einen Skipullover und Stiefel, aber keine Jacke. Sie war schlank
und hübsch, etwa Mitte dreißig, und hatte eine kleine
Lücke zwischen den oberen Schneidezähnen. Sie öffnete
die Beifahrertür und beugte sich zu Lederer hinab.
»Mark?«
»Alles okay, Beth.«
»Warum sitzt ihr beiden hier heraußen? Ist das der
Polizist, mit dem Molly gesprochen hat? Was ist da los?«
»Es ist alles in Ordnung.«
Cavanaugh sagte: »Mrs. Lederer, Ihr Mann und ich haben soeben
erfahren, daß Frau Doktor Garvey tot ist. Sie wurde auf dem
Flughafen Dulles ermordet. Sie war auf dem Weg zu mir, um mir von
Verico zu berichten.«
Beth Lederer wurde blaß. »Julia? Tot? Aber wir haben
sie doch eben erst… Sind Sie sicher? Julia?«
Cavanaugh sagte nichts.
»Aber das ist unmöglich, wir haben sie doch eben erst
getroffen… Sie war eine so ruhige… Was ist
›Verico‹? Mark?«
»Eine Biotechfirma«, sagte Lederer leise.
»Ich verstehe nicht. Hat Julia irgend etwas Ungesetzliches
getan? Irgendeine… Drogensache? Doch nicht Julia!«
»Beth, bitte…«
»Was ist passiert, Mark? Wer sollte denn Julia umbringen? Warum sollte sie in etwas verwickelt sein, für
das sich die Polizei interessiert?« Eine Hand krampfte sich um
die Schulter ihres Mannes; ihre Nägel waren leicht bläulich
von der Kälte.
Entweder war sie die beste Schauspielerin der Welt, überlegte
Cavanaugh, oder sie wußte tatsächlich von nichts. Er sah
zu, wie sich der Stoff von Lederers Ärmel um ihre Finger wand;
ihr Gesicht sah furchtsam auf das ihres Mannes hinab.
Cavanaugh stieg aus, und über das Wagendach hinweg sagte er
so behutsam, wie er konnte: »Mrs.
Lederer, ich sage das wirklich nicht gern, aber wir denken, es
könnte einen Zusammenhang geben zwischen dem Mord an Doktor
Garvey und der gestrigen Entführung Ihrer kleinen Tochter. Daher
ist es unumgänglich notwendig, daß Sie und Ihr Mann uns
alles sagen, was Sie wissen.«
»Wissen? Worüber? Wir haben der Polizei bereits alles
gesagt über Rosies… Entführung! Mark, was meint er?
Mehr wissen wir doch auch nicht, oder? Mark?«
Lederer schob sich aus dem Wagen und starrte Cavanaugh wütend
an – aber es war nicht jene Art von Wut, die Cavanaugh gebraucht
hätte. Dies hier war kalte, unversöhnliche Wut. Von der
Sorte, die die Zähne zusammenbeißt, statt den Mund
aufzumachen.
»Mark?«
»Nein, Beth, wir wissen auch nicht mehr als das, was wir der
Polizei bereits gesagt haben. Agent Cavanaugh hoffte natürlich
auf weitere Informationen, aber wenn es eine Verbindung zwischen
Julias Tod und Rosie gibt, kann ich mir nicht vorstellen, welche das
sein sollte. Ich persönlich sehe da absolut keinen Zusammenhang,
doch die Kriminalpolizei muß wohl alle Möglichkeiten in
Betracht ziehen, wie weit hergeholt sie auch scheinen.«
Cavanaugh beobachtete Lederers Augen; nicht die geringste Unruhe
lag in seinem Blick. Dann würde also die nächste Stunde
wiederum vergeudete Zeit sein. Und die unterzeichnete Erklärung
am Ende dieser Stunde wertlos. Er würde nicht in der Lage sein,
Lederers Widerstand zu brechen, auch nicht mit dieser
süßen kleinen Frau, die sich an seinen Arm klammerte und
mit seinen drei süßen kleinen Töchtern, die
drüben im nächsten Garten Schlitten fuhren. Cavanaugh hatte
keine besseren Karten mehr im Ärmel. Und Beth Lederer, deren
Widerstand ganz offensichtlich jedermann brechen konnte, hatte keine
Ahnung von irgend etwas. Reine Zeitverschwendung, diese nächste
Stunde.
Er stürzte sich hinein.
Es war schon später Nachmittag – ein Winternachmittag,
der bereits in Dunkelheit überging –, als er das
nächstemal bei Felders anrief. Von Newton auf dem Weg
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