Verico Target
aufspürten,
indem sie sich auf die Fährte der Bullen setzten, so wie sie es
heute nachmittag getan hatten.
Irgendwo auf der anderen Straßenseite ging eine Tür
auf, und eine Frau rief: »Hier, Rex! Komm schon,
Junge!«
Judy setzte sich in Bewegung. Zwei Querstraßen entfernt sah
sie eine Verkehrsampel. Dort angekommen, sah sie eine weitere Ampel
und dazwischen dichteren Verkehr. Im ersten Laden, an dem sie
vorbeikam, bat sie um ein Telefonbuch und fragte dann nach dem Weg.
Worcester war nicht groß, und so stand sie nach einer halben
Stunde vor der ›Tauschbörse für Gold und
Juwelen‹. ANKAUF – VERKAUF, sagte das Schild. Im Innern des
Ladens befand sich ein Pult, eine gesicherte Registrierkasse, ein
Apparat zur Feststellung der Echtheit von Gold und Diamanten und ein
Mann, der Judy aufmerksam durch die kugelsichere Scheibe musterte,
ehe er das automatische Türschloß entriegelte. Judy war
fasziniert.
Der Mann gab ihr fünfhundert Dollar für ihren
Dreiviertelkarat-Verlobungsring und dazu zweihundertfünfzig
Dollar für den goldenen Anhänger mit der Doppelhelix aus
Rubinen und Saphiren. Bargeld.
»Wenn Sie in ’ner vergessenen Schublade noch ein paar
solche Sachen finden, bringen Sie nur alles her«, sagte der Mann
mit nach unten gezogenen Mundwinkeln, und Judy wurde plötzlich
klar, daß er dachte, Ring und Anhänger wären
gestohlen.
Sie steckte die Scheine in die Manteltasche und ging. In einem
Burger-King im nächsten Block schloß sie sich in der
Toilette ein und steckte von den siebenhundertfünfzig Dollar
sechshundert in ihren Büstenhalter. Dort war Platz genug.
Vermutlich hatte sie jetzt Größe 85B – der
Büstenhalter nicht.
Überrascht stellte sie fest, daß sie tatsächlich
hungrig war, und kaufte sich einen Hamburger. Dann hielt sie nach
einem Taxi Ausschau.
»Ich bin von auswärts«, sagte sie zum Fahrer,
»und suche ein preiswertes Hotel, wo man nicht gleich nach
meiner Kreditkarte fragt. Hatte in letzter Zeit damit Probleme.
Leider. Können Sie mir da etwas empfehlen?«
Er drehte sich nach hinten, um Judy genauer zu begutachten; sie
hatte keine Ahnung, was er damit bezweckte und wie er zu seiner
Entscheidung kam. »Das Princess-Hotel«, sagte er
schließlich. »Die steigen Ihnen nicht auf die
Zehen.«
»Ist es sauber?«
Er hob die Schultern. »Einigermaßen.«
»Na gut. Vielen Dank. Dort bringen Sie mich hin.«
Das Princess machte einen schäbigen, aber nicht offenkundig
„zweifelhaften Eindruck. Der Portier ignorierte den Umstand,
daß sie kein Gepäck bei sich hatte. Judy trug sich als
Janet Chambers ein; sie wählte den Namen, weil er keinerlei
Verbindung mit irgendeiner Person, einem Buch oder einem Film
herstellte, an den sie sich erinnern konnte. Im Zimmer angekommen
versperrte sie die Tür, legte die Kette vor und klemmte einen
Stuhl unter die Klinke. Die Laken sahen sauber aus. Das Fenster, das
auf die Feuerleiter hinausging, war vergittert.
Judy setzte sich auf die Kante der dünnen Matratze und
starrte die ausgebleichte Tapete an der Wand gegenüber an.
Sie hatte es geschafft. Sie hatte einen sicheren Ort für sich
gefunden.
Und was jetzt?
»Sie
ist was?« fragte Cavanaugh.
»Weg«, wiederholte der Agent. »Einfach abgehauen.
Oder sie haben sie erwischt.«
Cavanaugh starrte ihn an. Soeben hatte er – nach der Fahrt
durch Bostons unglaublichen Stoßzeitverkehr – die
Außenstelle des FBI auf der Center Plaza betreten, ein Inferno
aus telefonierenden, nervösen, streitsüchtigen und auf
Computern herumhämmernden Agenten.
»Kommen Sie in mein Büro«, sagte Lancaster.
Cavanaugh folgte ihm.
Lancaster, ein Mann mittleren Alters mit schütter werdendem
Haar und eisengrauen Augen, hatte einen Gesichtsausdruck aufgesetzt,
den Cavanaugh gut kannte: wohlbeherrschte wütende Verachtung.
Die Wut deshalb, weil Dollings getötet worden war. Die
Verachtung bezog sich auf die Schwachköpfe in Washington, die
Dollings und Cavanaugh, unerfahrene Jungs von nicht mal dreißig
Jahren, mit einer so großen und gefährlichen Aufgabe
betraut hatten – worin auch immer diese Aufgabe bestand. Und die
Selbstbeherrschung war pures FBI.
»Sagen Sie mir, was passiert ist«, forderte Cavanaugh
zurückhaltend; bei der wohlbeherrschten Wut machte er mit, nicht
jedoch bei der Verachtung. Diese Spielchen machte er nicht mit.
Lancaster, der Leiter der Bostoner Einsatztruppe gegen Bandenwesen
und organisierte Kriminalität, gab Cavanaugh eine kurze und
prägnante Schilderung dessen, was
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