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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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suchen. Die Lehne vor ihr
verbarg sie völlig; sie war kleiner als die meisten der Kinder.
Perkins nickte dem Fahrer zu und sprang aus dem Bus.
    Die lange Reihe Schulbusse verließ den Parkplatz.
    Die ganze Fahrt den Storrow Drive entlang plauderte Judy mit Ann
über das Football-Team, und wenn es im Bus zu laut oder zu wild
wurde, dann fuhr sie dazwischen. Die Kinder bedachten sie mit
demselben fischartigen Blick – ich weiß nicht, wer du
bist, und ich will’s auch gar nicht wissen! –, mit dem
sie alle Menschen über fünfundzwanzig bedachten.
    Der Bus bog Richtung Westen auf die Autobahn Nummer 90 ein. Die
Kinder hatten sich tatsächlich beruhigt und unterhielten sich in
kleinen Gruppen. Ein paar von ihnen – entweder frühreif
oder exhibitionistisch veranlagt – schmusten offen miteinander.
Judy ignorierte sie.
    Brookline, Wellesley… Judy hielt den Atem an.
    Die nächste Stadt war Natick – und wenn der Bus sie nun
in ihren eigenen Wohnort zurückbrachte, wo ihre Verfolger sie
möglicherweise bereits erwarteten? Aber der Bus fuhr weiter.
Framingham, Westboro… Jetzt war es bereits dunkel, und die
meisten Kinder schliefen; alle wirre Zerfahrenheit war aus ihren
Gesichtern verschwunden, die unter der düsteren Innenbeleuchtung
des Busses noch jünger aussahen.
    Auf einem Schulparkplatz in Worcester blieben die Busse stehen,
und die Kinder stürzten heraus wie freigelassene Häftlinge
aus Arrestantenwagen. Die Eltern warteten bereits bei laufendem Motor
in ihren Fahrzeugen. Judy winkte Ann Browning noch einmal zu und ging
mit energischen Schritten davon, ganz so, als wüßte sie
genau, wohin.
    Was nicht der Fall war.
    Es war nach sechs Uhr abends. Die Autos verließen den
Parkplatz. Judy ging in die Gegenrichtung, hinter die dunkle,
verlassene Schule und von dort in eine Seitenstraße. Hier war
es still. In kleinen Häusern brannte Licht. Eine Tür ging
auf, schloß sich wieder, und es roch nach Braten.
    Judy stand auf dem schneebedeckten Gehsteig und zog den Mantel
enger um sich. Sie kannte keine Menschenseele in Worcester, sie hatte
kein Geld, nicht einmal eine Münze, um jemanden anzurufen.
Möglicherweise ließ man sie in einem dieser Häuschen
das Telefon benutzen – aber wen hätte sie anrufen sollen?
Der Apparat ihrer Eltern wurde vermutlich abgehört, und jeden
Freund, den sie kontaktierte, brachte sie dadurch in tödliche
Gefahr. Wie konnte sie einem Freund das antun?
    Ruf die Polizei an!
    Das war natürlich eine Möglichkeit. Sie würden
kommen und sie holen. Die hiesigen Polizisten oder das FBI. Aber wenn
sie sich ansah, was für eine großartige Leistung die
Polizei bei der Bewachung ihrer Person bereits vollbracht hatte…
ein Spielraum von zehn Sekunden heute morgen, bevor Dollings in ihrem
Bad seine Waffe abfeuerte, und Null Spielraum am Nachmittag;
hätte sie sich nicht so weit vorgebeugt, weil sie vor
Übelkeit fast ohnmächtig geworden war… Dollings hatte
sich nicht vorgebeugt. Was für eine großartige Leistung
der Gesetzeshüter: nicht einmal ihre eigenen Leute konnten sie
schützen!
    Und wenn sie beim FBI anrief und Cavanaugh tatsächlich an den
Apparat bekam? Dann wäre sie auch keinen Schritt weiter bei der
Suche nach Bens Mörder als heute morgen. Cavanaugh hatte nicht
vor, ihr irgend etwas zu sagen, was er nicht sagen mußte. Das
war nicht seine Aufgabe.
    Wenn sie wissen wollte, wer Ben umgebracht hatte, dann mußte
sie das selbst herausfinden. Und sie mußte es wissen. Sie wollte es nicht nur wissen, nein, sie mußte es
wissen, so wie ein Alkoholiker seinen Schnaps haben mußte. Denn wenn sie das nicht herausfand, würde sie nie wieder
schlafen oder arbeiten oder denken, ohne daß Ben im Hintergrund
existierte wie ein statisches Knistern, dessen Lautstärke stieg
oder fiel, das aber immerzu vorhanden war und jeden anderen Gedanken
überlagerte. Wenn sie es nicht herausfand, konnte sie ihr Leben
nicht weiterführen. Sie konnte einfach nicht!
    Jetzt, in dieser Minute, war sie in Sicherheit. Niemand auf der
ganzen Welt wußte, daß sie sich in Worcester aufhielt.
Die Killer wußten es nicht, die Polizei wußte es nicht.
Und wenn sie der Polizei aus dem Weg ging, dann konnte diese sie
nicht in einem Gefängnis verwahren, wo sie keine Antworten
finden würde; außerdem hatte sich die Frage der Schutzhaft
in ihren Augen insofern erübrigt, als sie hier ohnedies in
Sicherheit war. Und wenn sie sich von der Polizei fernhielt,
verhinderte sie damit auch, daß die Killer sie

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